Freitag, 27. März 2009

24.3.09, Aleppo

24.3.09

Ein denkwürdiger Tag, der uns sehr viel Kraft gekostet hat. Doch der Ausgang scheint glücklich. Wir sitzen in den tiefen Sesseln der Bar des berühmten Hotel Baron, haben schon einen großen Berg in Salzwasser eingelegter Möhren gegessen zum Bier und Tee getrunken. Machen weiter so und erzählen ein bisschen Euch daheim. Nettes Gespräch mit einem belgischen Paar (er ursprünglich Russe und Kernphysiker und sie Neuropsychologin) und einer allein reisenden Australierin, die etwas später kam. So Langsam finden wir beide wieder unsere Worte und unsere Reiselust, nachdem wir noch wenige Stunden zuvor erst einmal schweigend auf dem Bett lagen und an die Decke geguckt haben.

Die Anreise nach Aleppo und die Grenzformalitäten am Übergang Bab al-Hauwa waren problemlos. Bei der Ankunft in Aleppo begannen dicke Tropfen zu fallen, ein Schauer. Einmal aus dem Bus gesetzt, wußten wir weder wo wir waren noch wohin wir wollten, alles ist natürlich arabisch beschriftet, wir hatten kein Geld getauscht (wie viel syrische Lira sind eigentlich ein Euro?) und es herrschte ein Wahnsinnsverkehr mit überwiegend Taxis und Nutzfahrzeugen. Die Polizisten regeln an jeder Kreuzung den Verkehr, sonst geht es auch nicht. Sind tapfer losmarschiert mit einem Rucksack vorne und einem hinten, wobei der hintere schwer ist und der vordere einem die Sicht auf die Füße versperrt, was wegen der hohen Bordsteine und unvorhergesehenen Unebenheiten des Geländes seine Tücke hat. Man reist in diesem Outfit auch nicht wirklich unauffällig und muß fürchten, damit eine großzügige Einladung für Kundschaftssucher auszusprechen. Waren ein wenig sprachlos und ratlos in diesem Chaos. Die Frage, was um Gottes Willen wir hier eigentlich wollten,
mußte zunächst hintenan gestellt werden, was nicht leicht war, da sie sich beharrlich aufdrängte. Man ist anfangs ziemlich verloren, wittert überall Betrug und die Vorteilsnahme der anderen. Suchten dann das Spring flower Hotel. Schwer zu sagen, warum wir uns ausgerechnet das aus dem Führer ausgesucht haben. Nach einem Zickzackkurs (ohne Arabischkenntnisse versteht man die Wegbeschreibungen nur ungefähr - wenn sie denn richtig sind) haben wir es dann erschöpft gefunden. Es liegt in einem belebten Viertel der Altstadt, in dem überwiegend Händler von Autoreifen, Bremsklötzen, Kugellagern etc. und kleine Mechaniker ihre Werkstätten haben. Es entsprach insgesamt nicht unserer Vorstellung einer gemütlichen Unterkunft (Kabuff, höchstens sechs Quadratmetern mit Nasszelle, zugegeben ein Fenster, was nicht selbstverständlich ist, dafür keine Klobrille, zweifelhafte Sauberkeit). Wir nahmen es dennoch, um endlich den Rucksack los zu werden. Vorzugspreis von 700 syrischen Lira (umgerechnet ca. 11 Euro pro Zimmer und Nacht). Unsere Wahl versetzte uns aber im weiteren Lauf des Tages zunehmend in Depression angesichts der Frage, wie wir den Abend und die Nacht dort verbringen wollten. Sind dann in der Stadt umhergeirrt, um die Frage der Ernährung und des Geldtauschens zu lösen, was unter zähem Bemühen und nach unsäglichem Zögern unsererseits schließlich gelang. Dann fiel schon bald die Entscheidung, auf jeden Fall das Hotel zu wechseln, um die Gesamtverfassung zu verbessern. Erneute Suche und schließlich Landung im ehrwürdigen Hotel Baron, in dem schon Zaza Gabor und Agatha Christie und Atatürk (Berühmtheit scheint sich nicht immer auszuzahlen) untergekommen waren. Im Vorzug zu ihnen haben wir mittlerweile aber warmes Wasser, was nachträglich doch noch installiert wurde. Im Nachteil zu ihnen ist aber sonst nach ihrem Verlassen nur noch berlebenswichtiges renoviert worden. Wir genießen aber die alte Pracht und den Charme und sind wieder guter Dinge.

Was einen ein bisschen aus den Angeln hebt an so einem Tag, ist die Unsicherheit und das Mißtrauen, das man bei sich selber spürt. Die Orientierungslosigkeit läßt einen sich ausgeliefert fühlen und das macht natürlich ängstlich. Dazu trägt bei: die eigene Müdigkeit, das Unbeweglichsein unter dem Gepäck, das Auffälligsein, die mangelnden Verständigungsmöglichkeiten, die vorübergehende Mittellosigkeit, weil man noch keine Landeswährung hat (man konnte ja nicht einmal ein Taxi nehmen). Und dann streitet man zu allem Überfluß nocht, weil man gereizt ist und dabei muß man sich noch voll konzentrieren, um sich nicht beklauen zu lassen, sich nicht vom Auto anfahren zu lassen, sich nicht zu verlieren, den Weg zu finden. Man ist irritiert und beeindruckt und hat keine Muße, sich erstmal seinem Staunen zu überlassen.

Wir haben das Zimmer 202 im Baron. Hörten gerade, dass dies das Zimmer ist, in dem auch Lawrence of Arabia einst nächtigte. Werten das als außerordentlich günstiges Zeichen.

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