Sonntag, 22. März 2009

Antakya/Türkei

20.3.09
Es ist wunderbar hier diese kleine Gemeinschaft zu erleben bei Schwester Barbara, einer Franziskanerin. Jeder läßt den anderen in Ruhe seiner Wege ziehen und keiner ist auch zu allein. Die Menschen wachsen einem ans Herz, ohne daß sich einer dazu besonders anstrengen muß. Man ist neugierig, wenn ein neues Gesicht dazukommt. Gerne möchte man erfahren, woher der Mensch kommt, wohin er geht, wie er bei Tisch die Gabel führt, wie eng er dabei die Ellenbogen beieinader hält, was es braucht, ihn zum Lächeln zu bringen, wie sein Appetit ist, wann er schlafen geht, wie erschöpft er ist und wovon, was das Werk seiner Tage ist. Man wird angeregt durch das Anderssein, das an einem vorbeistreift, das nicht wichtig sein will, aber doch von erreichbarem Belang ist. Ich liebe dieses in der Gemeinschaft sein, diesseits der Verbindlichkeiten von Freundschaft. Es ist ein großes Feld des Probierens und Umherstreifens, man probiert seine erste Wirkung auf andere Menschen noch ehe man mit einem Inhalt, einem Thema auftritt. Das ist die Welt des Smalltalks im besten Sinne, die Welt des kleinen Gesprächs, des Annäherns, des sich Interessierens und Zuwendens, quasi das erste sich Umdrehen nach und später erst zu jemandem, das erste den Blick Suchen. Spannend. Unverbindlich, aber eben nicht bedeutungslos. Mit allen Chancen zu Sympathie, Faszination, Kopfschütteln, Schulterzucken, Rätseln. Es hat auch etwas sehr Brüderliches und Schwesterliches, sich so zu begegnen und ein paar Dinge des Alltags miteinander zu teilen. Das macht alles so viel bunter und man erwartet den Tag mehr als das man meint, ihn selber und aus sich heraus gestalten zu müssen. Toller Ort.

Aus der Welt der türkischen Sprichwörter:
Einer trinkt ein Glas Wasser. Keiner soll ihn dabei stören, damit er sich nicht verschluckt. “Su icerken yilan bile sokmaz”, “Während man Wasser trinkt, würde selbst eine Schlange nicht zubeißen”.

“Bir fincan kahvenin kirk yil hateri var”. Eine Tasse Kaffee, vierzig Jahre Erinnerung.


Was für unterschiedliche Lebensentwürfe es gibt. Heute kam ein französisches Paar zu Barbara. Mittelalt. Sie sind seit drei Jahren mit dem Fahrrad unterwegs, bisher bereits 34.000km. Bis zu dieser Reise seien sie kein Fahrrad gefahren, zwar gewandert, aber eben nicht Fahrrad gefahren. Sehr nette, bescheidene, stille Leute, mit braunen breiten Füßen und gepflegten Händen. Sie hatten in Frankreich eine kleine Druckerei oder ähnliches. Sie leben in den Jahren der Reise von der Miete, die sie für ihr Haus in Frankreich bekommen. In den Orten, in die sie auf der Reise kommen, fragen sie an Tankstellen, in Stadtverwaltungen, Kirchen etc., ob man ihnen einen Platz zum Schlafen geben könnte. Warten dann was passiert, ob man sie herumreicht bis ein Ort für die Nacht für sie gefunden ist? Auch so lernen sie Land und Leute kennen. Sie wollen vielleicht weitere 10 Jahre so unterwegs sein. Ist das nicht Wahnsinn? Ich bin beeindruckt. Sie fahren im Zickzack über diesen Globus, in langen Schleifen. Jeden Tag fahren sie ca. 60-70km. Sie erzählen, dass wann immer sie in einer Grenzregion im Begriff sind ein anderes Land zu betreten, die Menschen des Landes, in dem sie sich gerade noch befinden, warnen, drüben müsse man aber ein bißchen aufpassen auf sich, da sei es alles schwieriger und halt bedenklicher als im gerade noch Hier. Und sie stellen immer wieder fest, dass die Menschen hier wie da gut sind, gut sein wollen.

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