Um 9 Uhr holt uns Vahid im Hotel ab. Wir fahren durch die Stadt zu seiner Wohnung, wo wir erstmal Tee trinken. Dann fahren wir westwärts in seine Heimatstadt Shahr-e Kord. Dort fahren zunächst zu seinem Cousin und dessen zwei Söhnen und seiner Tochter. Der Mann ist Notar, das Haus ausgesprochen großzügig und repräsentativ. Das Wohnzimmer ist riesig, es stehen sogar zwei Fitnessgeräte darin, es gibt zwei Küchen (eine für Kleinigkeiten, eine für das richtige Kochen). Amin studiert in Amerika Pharmazie, die Tochter in Esfahan Informatik, ein Sohn studiert in Australien und der jüngste Sohn ist zu Hause und geht noch zur Schule. Die Mutter ist nicht da, ist wegen eines Trauerfalls verreist. Wir werden sehr freundlich aufgenommen und haben ein paar entspannte Stunden. Erst gibt es Obst und Saft. Dann wird Essen bestellt und wir essen alle zusammen an einem großen Tisch. Der Vater wäscht danach das Geschirr ab (wohl eher ungewöhnlich im Iran), die Tochter kocht Tee und stellt Süßigkeiten zusammen. Fahren dann mit Amin und Vahid los in die Berge des Zagros Gebirges (über 4000m), einem riesigen Gebirgsmassiv. Wir fahren weit und verlassen irgendwann die befestigte Straße. Es geht immer weiter hoch ins Gebirge, wo noch viel Schnee ist und zum Teil wunderschöne Ausssichten. Wir sind hinter Chelgerd und meinen uns auf holprigen Wegen immer wieder am Ende der mit dem Pkw befahrbahren Strecke, aber immer wieder tauchen heute an einem Freitag doch wieder parkende Autos und die dazugehörigen picknickenden Iraner auf. Es ist unglaublich wohin sie fahren. Picknick im Grünen ist die Freizeitbeschäftigung für den freien Freitag, alles scheint auf den Beinen. Wir fahren auch vorbei am Kuhrang-Tunnel, durch den der Fluß von der anderen Seite des Berges auf die hiesige Seite fließt und hier das Tal mit Wasser versorgt. Wir fahren immer weiter, die Jungs suchen eine Quelle, die unter dem Eis entspringt und in der Nähe sein soll. Wir finden auch die Stelle (die auch andere Iraner schon gefunden haben), können aber nicht mehr so richtig weiter, weil wir einen Fluß überqueren müßten und noch ein bißchen wandern und klettern müßten, um an die eigentliche Stelle zu kommen. Wir kehren langsam zurück, sehen dabei eine Gruppe Nomaden, Frauen, Männer und Kinder mit ihren bepackten Eseln und Pferden und einigem Vieh. Sie ziehen für den Sommer auf die entsprechenden Weiden. Es gibt hier in den Bergen noch viele Nomaden, die zwischen ihren Sommer- und Winterweiden pendeln und dabei große Distanzen zurücklegen und Päße queren. Vahid spricht ein paar jünger Frauen an. Sie sehen indianisch aus, tragen keinen Chador (unpraktisch beim Reiten), sind ganz munter und schlagfertig und selbstbewußt (“wir wohnen zwar in den Bergen, aber wir wissen wo Deutschland ist”). Sie wollen nicht fotografiert werden, weil sie gerade nicht so gut aussehen nach den Anstrengungen des Tages. Den Vater dürfen wir aber fotografieren. Fahren langsam über die schlechten Pisten bis ins Hotel Kuhrang zu einem Verwandten der beiden namens Raissi, dem das Hotel gehört. Es ist ein charismatischer hochgewachsener Mann, der auch in unserem Führer erwähnt wird und dort als statesman-like beschrieben ist, was stimmt. Er hat in Wien studiert, in Amerika gearbeitet und hat dann das Hotel hier in den Bergen gegründet, seiner Heimat. Er kennt die ganze Region sehr gut, hat gute Kontakte zu den Nomaden.. Die Männer sprechen über Politik, man trinkt Tee und er bietet uns an einen Film über die Bakhtiyari-Nomaden dieser Region anzugucken, der vor einigen Jahren hier in den Bergen gedreht wurde. Er zeigt den mühsamen Weg durch die Berge zwischen Sommerweide und Winterweide (Film von Milestones). Inzwischen wird ein Teil des Gepäcks wohl mit Trucks transportiert, aber der Film zeigt die Zeit vor dieser Erleichterung. Man sieht in dem Film wie Tiere und Gerätschaften über einen tiefen und breiten Fluß transportiert werden. Hagere und sonnengegerbte Menschen, die verschreckte und vom eisigen Wasser ermattete Tiere auf den Schultern oder im Arm über den Fluß schleppen oder sie quer vor sich über die Pferde legen und durch den Fluß reiten. Zum Teil lassen sich die Tiere in die Fluten treiben und schwimmen, werden manchmal kurz vor dem Untergehen mit einem Griff ins nasse Fell am Nackens oder am Schwanz oder am Horn über die Wasserlinie gehalten, bis die Beine wieder Land unter sich haben und sie am Ufer völlig erschöpft ankommen. Die schwimmenden Tiere werden zum Teil abgetrieben von der Strömung, kämpfen um ihr Leben und manchmal ertrinken sie auch. Derselben Gefahr sind auch die Menschen ausgesetzt, die immer wieder über den Fluß gehen oder reiten. Man sieht wie ein Mann im letzten Moment von den anderen aus den Fluten gezogen wird, die ihn danach am Ufer wärmen und umarmen und den Rücken klopfen und er steht da und ist noch ganz abwesend. Das ganze Unternehmen ist dramatisch und rührend zugleich.
Dann sieht man wie die Tiere und Menschen mit ihren dünnen Schuhen und unzureichender Kleidung, mit allem was sie haben durch den Schnee über den Paß gehen. Sie stapfen durch den tiefen Schnee, im Wind frierende Kinder halten sich auf den Pferden zwischen dem Gepäck, Pferde mitsamt ihrer Reiter straucheln auf dem unebenen verschneiten Grund und bei dem starken Gefälle und Pferd und Reiter stürzen den Abhang hinunter bis irgendwas sie wieder hält. Keine Ahnung wie sie diese gefährliche Strapaze immer wieder schaffen. Zweimal im Jahr legen sie die Strecke zurück zwischen Sommerweiden und Winterweiden mitsamt ihren Tieren und Zelten und Hunden und Kindern (ca. 350km). Die Menschen sind immer in den Bergen, ihre Habe sind die Tiere, die sie dann verkaufen, vielleicht auch ein bißchen Milch oder Jogurt, aber keinen Käse. Sie haben ihre eigene Tracht, tragen keinen Chador. Der Film ist sehr beeindruckend.
Wir werden dann alle von Raissi zum Forellenessen eingeladen und er unterhält uns gut. Fahren danach bis Shahr-e Kord zurück und übernachten dort in der verlassenen Wohnung der Familie von Vahid. Lernen auch den Bruder kennen, der mit seiner Frau die Wohnung darunter bewohnt.
Dienstag, 26. Mai 2009
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