Um vier Uhr morgens starten wir mit unsrem Mann vom Vortag in dem Iran Khodro Samanda des Hotels (Motor Renault und Karosserie BMW, alles im Iran zusammenmontiert, wie wir lernen). Es soll in die Wüste Lut gehen, um dort in der Morgenstimmung und bevor es unerträglich heiß wird, die sogenannten Kaluts zu sehen. Die Kaluts sind ein Naturphänomen inmitten der Wüste (Temperaturen dort bis 65°C im Sommer). Auf einer riesigen Fläche (145km x 80km) sieht man durch Wind, Wasser und Sand bizarr geformte Felsformationen (“sand castles”). Wir fahren los und schon bald.beschleicht und besorgt mich (ich sitze vorne neben dem Fahrer) das Gefühl, daß unser Mann ohne Licht durch das nächtliche Kerman fährt. Das machen nicht wenige Fahrer so, warum auch immer. Vor einem Hindernis oder bei einem entgegenkommenden Fahrzeug oder wenn man zum Überholen ansetzt, blendet man kurz auf, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ich weise ihn irgendwann vorsichtig darauf hin und er macht dann Licht. Um uns noch vor Sonnenaufgang zu den Kaluts zu bringen, drückt er dann mächtig aufs Gas. Die Strecke geht durch die Berge, einen Tunnel, auf nicht zu breiten kurvigen aber guten Straßen. Mir und Mine wird es ganz anders. Die Fenster sind einen Spalt auf und der Fahrtwind und die damit verbundenen Geräusche sind so kräftig, daß man recht laut sprechen muß, um verstanden zu werden. Wir haben beide Bedenken, ihn allzu laut anzusprechen und bei seiner konzentrierten Raserei zu erschrecken oder zu einem Blick zur Seite oder gar nach hinten zu verleiten. Mehrfach versuche ich zu sagen, er solle ruhig langsamer fahren. Er aber meint es gut mit uns und will den Sonnenaufgang für uns erst am Ort unserer Bestimmung. Der Sonnenaufgang wird uns zunehmend egal. Auch die Spur des Gegenverkehrs ist zu dieser Stunde unsere. Die Schilder, die engere Kurven anzeigen, führen nicht zur Verlangsamung der Fahrt. Bei einem entgegenkommenden Fahrzeug macht er in der Dämmerung stets kurz das Licht aus und dann wieder an, wie gesagt, um sich der Aufmerksamkeit des Gegenübers zu versichern. Für einen kurzen Moment wird es bei der Fahrt plötzlich deutlich dunkler vor den Augen und sie brauchen einen Moment, um sich anzupassen. Ich bekomme bei der Fahrt echte Angst und irgendwann schaffe ich es, alle Zurückhaltung und Akzeptanz zu überwinden und ich rufe laut, er solle langsamer fahren und daß er mir Angst macht. “Sorry, sorry” und “Ok, Ok” und ein erschrockener Blick des Fahrers zu uns, der es ja nur “gut meinte”. Endlich geht es langsamer weiter. Mine und ich sind total verspannt. Die Kaluts, die zunächst völlig nebensächlich geworden waren, sind kurz darauf aber einfach fantastisch. Mine und ich gehen alleine an den Formationen entlang durch den Sand, die Sonne geht auf, wir machen viele Fotos. Einzigartig. Das rötliche Morgenlicht spielt auf den Felsen, die inmitten des grauen Sandes stehen. Jede der Formationen sieht anders aus und wir gehen hier rauf und da runter und hier herum und dann noch nach dort weiter. Wir merken, daß nicht viel fehlt, um hier die Orientierung zu verlieren. Die Straße hilft uns und wir stehen irgendwann wieder bei unserem Fahrer. Schon um sieben Uhr ist es sehr warm, der Wind geht unaufhörlich.
Wir sind immer noch schockiert von der gehetzten Fahrt. Wie kann jemand glauben, daß wir wegen eines Sonnenaufgangs irgendwo bereit sind, ein Risiko in Kauf zu nehmen. Fast denken wir schon unser gestriges Trinkgeld hat ihn zu solchen Heldentaten ermutigt. Bestimmt hat er keine echte Gefahr gesehen, er ist ein ganz erfahrener Taxifahrer und Busfahrer, aber wir waren fertig nach der Fahrt. Man ist auch erschrocken über sich oder die Dynamik der Ereignisse, die einen einen Zustand, den man inakzeptabel findet, hinnehmen läßt bis es dann endlich aus einem herausbricht und man aufgelöst endlich ruft, die Dinge sofort zu ändern. Man wartet besonders lange, wenn die Intention des anderen auch noch prinzipiell gut gemeint ist. Wenn ich dann den Punkt erreiche, daß mir der Kragen platzt, ist eigentlich innerlich schon alles halb in Trümmern. Was für ein Quatsch, sich um solche angeblichen Höhepunkte wie einen Sonnenaufgang zu kaprizieren. Aber dieses sich nur gebrochen verständigen können, läßt halt Raum zu solchen Fehlinterpretationen. Erst spät habe ich unterwegs verstanden, daß es dem Fahrer darum geht: “Kaluts. No sun. Good?”
Kommen auf dem Rückweg wieder im Nebka Park vorbei. Das ist ein Wüstenareal, in dem scheinbar ordentlich und oft der Wind geht. Die Landschaft ist durchzogen von kleinen Erdhügeln, meist mehrere Meter hoch und breit. Auf ihnen wächst ein Nadelgehölz und so haben die Hügel inmitten dieser Landschaft, in der sonst nix wächst, eine grüne vom Wind zerzauste Krone. Das sieht sehr schön aus. Ob wirklich diese Gehölze in der Lage sind, den Abtrag der Erde zu verhindern? Jedenfalls sind die Hügel viel viel größer und höher als die Wurzeln an Substanz halten können. Es ist bestimmt noch etwas anderes, was ihnen hilft, so viel Erde nicht einfach dem Wind zu übergeben, irgendeine Aura oder ein Mikrokosmos, den sie erhalten. Es fällt auch auf, daß die Nadeln, die sie verlieren, den Hügel bedecken trotz Wind.
Halten an einem Schild, das durch den Wind fast 180° nach hinten abgeknickt ist und den heißesten Punkt der Erde anzeigt.
Fahren danach in das Dorf Shafi Abad und besuchen dort eine recht gut erhaltene alte Karawanserei. In dem Ort Shahdad gucken wir ein Mausoleum (Imamzadeh-ye Mohammed Ebn-e Zeid) an, das wir so prächtig in so einem kleinen Ort nicht erwartet haben. Danach sehen wir einen alten Wasserspeicher. Wir gehen 52 Stufen in die Tiefe und treten unten in einen riesigen leeren Kuppelbau, in dem früher Wasser war. Von außen sieht man die Spitze der Kuppel (der Rest ist unter der Erde) und vier schöne flankierende Windtürme zur Kühlung des Wassers. Überreste einer alten Wassermühle sehen wir auch noch in dieser wasserreichen Oase.
Fahren dann zum Früstücken in den kühleren Ort Sirch, picknicken an einem kleinen Wasserlauf unter Bäumen mit Tee und Brot und Käse und Aprikosen. Halten Füsse in das wunderbar kalte Wasser. Beim Einpacken gibt es lange Diskussionen, weil wir den Müll . einpacken und weder an dem Platz lassen wollen, noch ins Wasser werfen wollen. Wir sind wiedermal entsetzt.
Fahren dann in gemesenem Tempo durch die wunderbare Berglandschaft zurück nach Kerman. Halten am Busbahnhof und kaufen Ticket für Shiraz für den morgigen Tag. Unser Mann kriegt Provision, weil er uns für die Gesellschft angeschleppt hat (Mine hat es genau gesehen). Manchmal nervt es, daß man letztlich doch eine Ware ist.
Ruhen uns im Hotel ein bßchen aus, gehen dann im Restaurant eine Kleinigkeiten essen und sind dann wieder aktiv. Gegen 15 Uhr gehen wir aus dem Hotel und es ist unglaublich warm. Fahren zu dem ungewöhnlichen Steinbau Gonbad-e Jabaliye. Eine wirklich schöne Architektur, die Wände aus Bruchstein, die Kuppel aus Ziegeln, sehr gut gepflegte Umgebung, sehr nah zu einem Militärgelände, innen kleines Museum für Grabsteine. Gehen wieder in die Gluthitze raus, fahren mit dem Taxi in die Stadt, um noch einige Sehenswürdigkeiten anzugucken. Das sind: Das schöne Hamam-e Ganj Ali Khan, die kleine Moschee Masjed-e Ganj Ali Khan, den Goldbasar. Gehen dann eine neue Memorycard für die Kamera kaufen und Geld tauschen. Danach wollen wir noch einen Tee im Hamam im Basar trinken. Haben insgesamt in keiner anderen Stadt so viele schräg wirkende Gestalten gesehen wie in Kerman. Hier werden viele Drogen aus Afghanistan eingeschmuggelt und weitertransportiert und wohl auch konsumiert. Der Ton ist etwas gröber, als wir es sonst kennen. Junge Leute pöbeln uns schon mal an und albern offensichtlich über uns. Die Stadt wirkt politisch ambitioniert, überall plakatieren die Händler und Privatleute den Konkurrenten von Staatspräsidenten Ahmadinedschad für die anstehenden Wahlen.
Sonntag, 31. Mai 2009
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen