Freitag, 8. Mai 2009

5.5.09 Teheran

Die Verständigung ist schwer auch wenn beide Parteien ein Lächeln tragen: “Please no sugar for the nescafe”. Der Café kommt besonders süß. Das Bestellen nach der Farsi-Speisekarte im Restaurant ist unmöglich, nach der ins Englische übersetzten Karte auch, der Kellner spricht kein Wort Englisch, die Jungs vom Nachbartisch sind süß und helfen mit ihren Brocken Englisch. Wir lassen sie einfach für uns bestellen. Zu unserer Überraschung kommt genau das, was wir auch gestern hatten, als wir in einem einfachen Restaurant in die Töpfe gucken konnten. Mine findet die iranischen Köche wieder einfallslos. Frage mich wie ich meine türkische Fünfsterneköchin unter diesen Bedingungen durch den Iran bekomme. Die Suche nach einer Möglichkeit Tee zu trinken (nicht an einem Kiosk oder Stehimbiß) ist auch heute fast nicht zu lösen. Wir finden einen Kompromiß und schauen dem endlos brandenden Verkehr der Stadt zu. Kolonnen von leichten Motorrädern, zum Teil schwer beladen und mit einem auf dem Kühler vor der Ware sitzenden Fahrer. Die Motorräder weichen zum Teil auf die Gehwege aus, um voran zu kommen. Smog hängt fast chronisch über der Stadt. Die Berge im Norden Teherans sind fast nie richtig zu sehen. Die Menschen tragen zum Teil Mundschutz wegen des Smog. Sammeltaxis prägen hier den öffentlichen Verkehr mit, man durchschaut ihr Prinzip nicht. Mehrfach haben wir uns reingesetzt und meist hat es erstaunlicherweise für wenig Geld geklappt anzukommen. Ein Schweißausbruch ist aber immer inbegriffen bis man sich erklärt hat und das Ziel abgemacht ist. Waren heute zweimal am Ebrat Museum. Mißverständnis: es hat heute ganz zu. Der junge Mann hat unser Fragen morgens nicht genau verstanden und konnte auch nicht präzise antworten. Sind daher nachmittags nochmals umsonst gekommen. Der Hinweis, daß Dienstags Ruhetag ist, steht nur in Farsi angeschlagen. Schade. Das Ebrat Museum ist ein altes Gefängnis aus der Zeit des Schahs, berühmt und berüchtigt. Hier haben viele politische Gefangene ihre Tage verbracht oder sogar beendet. Die jetzig Regierenden stellen hier drastisch die Greuel der Vorgänger dar mit viel roter Farbe und Wachsfiguren. Vor dem Gebäude wird man mit (schrecklichen) Fotos schon gut eingestimmt, sie zeigen auch Fotos berühmter Insassen. Gerne hätten wir gesehen, wie man hier mit der eigenen Geschichte umgeht.
Mit hängender Zunge schaffen wir es noch zu den Kronjuwelen. Hier sieht man natürlich viele Touristen und Schulklassen und zwischen dem Schrillen der dauernd anspringenden Alarmanlage sieht man einen Juwelenschatz der seinesgleichen in der Welt sucht. Der Wert des Ausgestellten ist nicht zu beziffern, die Werte hier übersteigen die der Kronjuwelen von St. Petersburg plus London. Wir sehen riesige Diamenten und Smaragde und Perlen und Goldschmiedearbeiten, die viele Vorstellungen sprengen.
Heute haben wir ein weiteres erlesenes Museum gesehen, das für Glas und Keramik. Die Art wie hier ausgestellt wird, ist ungemein ästhetisch, das Umfeld in einer alten Villa/einem alten Palast mit wunderschönem Treppenhaus und Stuckarbeiten ebenso. Man möchte noch viel mehr sehen, von der vielen Pracht hier in Theran, aber man erschöpft sich an der eigenen Ineffektivität durch die Längen der Wege und die Fülle der Stadt, den Geräuschpegel und den Mangel an Oasen, in denen man auftanken könnte.
Trafen gestern in der U-Bahn eine Südkoreanerin, die seit mehr als drei Jahren in Teheran islamische Architektur studiert. Sechseinhalb Jahre muß sie noch. Also, was manche Menschen auf sich nehmen fern der Heimat, in einer fremden Sprache, in diesem Chaos, weitgehend allein. Denken respektvoll an all jene, die in der Fremde ihr Glück versuchen oder Brot erwerben. Wie mutig sie sind und wie viel Durchhaltevermögen sie haben. Denke an Mines Mutter die 1967 als junge Frau in die völlige Ungewissheit gefahren ist, um in Deutschlanfd ihr Brot zu erwerben, einem Land, von dem sie nichts wußte, nicht einmal wo es ist. Sie erzählte von dem vollen Zug (man nannte ihn: Gurbetci treni = “Zug in die Fremde”, denn man weiß nicht, wohin man fährt), der junge anatolische Frauen nach Deutschland brachte. Der Zug fuhr in Sirkeci Istanbul ab. Die ersten Frauen haben es nicht bis zur türkisch-bulgarischen Grenze geschafft, sind einfach ausgestiegen und nach Hause gegangen, obwohl die Fahrkarte oft das “Vermögen” der Familie gekostet hatte und der Eintritt in ein etwas besseres Leben sein sollte. Wie gut ich sie verstehen kann. Trösten und Ermutigen und Hinterherrufen und “das ist eure Chance, der Armut zu entfliehen”, alles konnte diese Frauen nicht halten.

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