Dienstag, 26. Mai 2009

20.5.09 Garmeh

Unser Fahrer Mr. Lorian holt uns pünktlich um acht Uhr ab. Wir sitzen noch beim Frühstück, haben kleine Kartoffelpuffer gebacken bekommen von der netten Frau in der Küche. Köstlich. Starten schon bald mit unserem zoroatrischen Fahrer in seinem von der Zeit mitgenommenen Auto. Konnten nicht verhindern, daß wir unser vermittelndes Hotel für die Fahrt zahlen mußten (80.000 Toman). Unser Fahrer wird dann vom Hotel bei seiner Rückkehr bezahlt. Er denkt, daß er wohl 60.000 Toman bekommt, weiß es aber nicht. Das scheint uns ungerecht, aber so laufen die Dinge. Es ist trotz des relativ frühen Morgens schon recht warm und bald braten wir in dem kleinen verbeulten KIA vor uns hin. Halten kurz in Kharanaq, um etwas abzuholen. Steige aus und werfe wie immer (ganz normal) die Tür zu. Es durchzuckt unseren Fahrer und er bittet mich “please be easy with my car”. Das Gefährt, schon abbezahlt, ist seine Existenzgrundlage und muß pfleglich behandelt werden, was wir einsehen. Wir fragen uns wie lange sein KIA, bezeichnenderweise von der Marke “Pride” (Stolz), diese Dauerbelastung überhaupt noch aushält, die Front ist (nach einem Unfall) schon recht ramponiert, “but the engine is very good”. Kämpfen mit dem Schlaf wegen Müdigkeit und Hitze. Fahren aber durch eine atemberaubend schöne, glühende und stille Landschaft unter einem fast strahlend blauen Himmel (!), die man das Auge einfach nicht verpassen lassen will. Die Landschaft ist bergig (Fels) und hügelig, dazwischen Ebenen mit nur wenig trockenem Grün in kleinen bodennahen Büscheln. Die Farben der Landschaft rangieren zwischen Grau, Braun, Ocker, Gelb, staubigem Grün und Rottönen, immer wieder auch echtem Weiß in den Salzseen und ihrer Umgebung, in die etwas von dem Salz geweht ist. Unser Fahrer ist reizend, erzählt aus seinem Leben. Er war Radio- und Fernsehmechaniker mit einem eigenen Geschäft und hatte einem “Freund” Geld geliehen und für ihn eine Bürgschaft unterschrieben. Der Freund hat sich dann ins Ausland abgesetzt und ihn mit den Schulden zurückgelassen. Er hatte die Wahl, die Schulden zu bezahlen oder ins Gefängnis zu gehen. Er hat also sein Elternhaus und Geschäft und alles verkauft und dann als Fahrer angefangen. Er ist zudem Zoroastrier und hat gerne unsere Fragen zu seiner Religion beantwortet. Essen unterwegs Kaschkek (sehen aus wie kleine Käsekugeln , sind aber kein Käse; aus Schafsmilch) und trinken Saft. Die Straßen sind gut, schnurgrade über lange Strecken. Erst sieht man noch viele LKWs, später kaum mehr ein anderes Auto. Ab und zu am Wegesrand Rouinen alter Karawansereien, wenige kleine Orte. Wir fahren zunächst Richtung Tabas, über Kharanaq, dann über Robat-e Posht-e Badam, später über Bayaziyeh. Irgendwann im letzten Drittel der Reise prallen plötzlich mit hartem Geräusch mehrere von irgendwas auf die Windschutzscheibe und das Blech des Daches, “Pling”, “Plong”. Es sind große weiße fleischige Heuschrecken mit beträchtlichen Flügeln und langen Beinen zum Hüpfen. Einige liegen hinter den Scheibenwischern und viele kleben an der Front des Autos. Staunend betrachten wir gemeinsam die Überreste des Spektakels, das scheinbar nicht so häufig ist. Die Heuschrecken sind weiß, woran man erkennen soll, daß sie vom Meer im Südwesten kommen. Bei aufziehendem Sandsturm ziehen sie von dort aus über riesige Distanzen mit dem Wind. Unvermittelt sind wir nach vier Stunden plötzlich da, in Garmeh. Hier hat der Teheraner Musiker Maziar sein 265 Jahre altes Elternhaus renoviert und zu einem Gästehaus gemacht. Es ist ein sehr gelungenes traditionelles Lehmhaus, das einem Kühlung bringt und Entspannung, wenn man aus der Gluthitze kommt. Vor dem Haus leben in einem kleinen Gehege zwei Kamele und mehrere Ziegen. Das Essen ist wundervoll und reichlich. Wir werden in dem Privathaus von Maziar und seiner Frau unterkommen, da das Haupthaus voll ist mit einer Gruppe aus Teheran. Die Oase Garmeh muß ein absolutes Paradies gewesen sein. Leider kam es zu einer Katastrophe und die Natur hat viele Federn lassen müssen. Vor drei Jahren sind viele/die meisten der alten Dattelpalmen (2000 Palmen) in einer Serie extrem kalter Nächte erfroren. Nie hat es solch niedrige Temperaturen hier gegeben. Die Katastrophe war nicht vorhersehbar. Viele der alten Bäume und Palmen haben das nicht überlebt und es sieht dementsprechend aus. Dann war nicht klar, wie man mit den vielen toten Bäumen umgehen soll und offensichtlich ist an manchen Stellen Feuer gelegt worden. Die Gärten waren innerhalb alter Lehmmauern über Jahrhunderte gewachsen. Diese Tragödie hat leider ein riesiges Areal (wohl über den Iran hinaus) getroffen. Jetzt geht man zwischen den toten, zum Teil verkohlten, zum Teil umgelegten, zum Teil noch stehenden Stümpfen der Palmen her. Er sieht furchtbar aus. An der Erkenntnis, daß wir eine massive Klimaverschiebung haben, kommt man wohl nicht vorbei. Nach dem Mittagessen gehen wir aus dem Gästehaus rüber zu unserem Gastgeber. Lernen seine Frau und sein kleines Kind und zwei Freunde kennen. Maziar ist ein großer kräftiger Mann mit einem langen grauen Bart und üppigen Haaren, die man zu einem kleinen Zopf machen kann. Er trägt Kleidung, die an Kurdistan oder Afghanistan erinnert, auch ein Tuch ist um den Kopf gewickelt. Er ist beeindruckend. Sein Freund und einige ihm nahe Stehende sehen ähnlich aus. Die Idee, die das Projekt hier begleitet, wird uns nicht ganz klar. Aber Maziar scheint eine Berühmtheit zu sein, geachtet und wahrscheinlich sogar verehrt von vielen, die hier Leben oder den Ort aufsuchen. Sie renovieren u.a. alte Lehmhäuser und motivieren andere dazu, sind mit ihrer Art zu leben eine Institution, so scheint es. Wir sehen in dem kargen Zimmer, in dem wir mit ihm und den anderen Tee trinken eine Zeitschrift mit einem langen bilderreichen Artikel über ihn. Er ist ursprünglich Töpfer/Keramiker und Musiker. Alles ist ein bißchen ökomäßig, vielleicht auch fernöstlich angehaucht. Eine Ideologie wird aber nicht vermittelt, nur gelebt. Wir wissen in der Hitze kaum wohin mit uns, trocknen ratlos vor uns hin und finden erstmal keinen Ort für uns, an dem ein Bleiben vorstellbar ist. Trinken dann aber Tee mit den anderen im Haus und essen Kekse und sitzen im Schatten und beim Ventilator und finden so langsam zu uns. Ab halb sechs erwacht das Leben, wider Erwarten wird es kühler. Wir machen einen ersten Gang durch die Oase und über die angrenzenden Hügel. Die zwei großen Hunde von Maziar begleiten uns, was uns viel Spaß macht. Das Abendlicht ist traumhaft schön. Wir gehen über einen lehmig wirkenden Boden, der oben eine trockene Kruste hat, die manchmal salzig und weiß ist, wenn der Wind das hergeweht hat und unter der Kruste wirkt es leicht feucht. Finden auch noch die Quelle im Berg, die die Oase speist. Viele Fische sieht man in dem kleinen Becken, daß sich hier nahe dem Berg gebildet hat. Halten die Füße rein und hocken hier ein Weilchen mit unseren Hunden. Auf dem Rückweg knicke ich mit dem Fuß um, was ja leider oft passiert. Diesmal stürze ich aber sogar und es tut ordentlich weh und im ersten Moment habe ich Angst, daß ich mich richtig verletzt habe und vielleicht nicht mehr werde laufen können in den nächsten Tagen (...). Ich bin erschrocken und ganz benommen hocke ich da. Der große, ältere Hund kommt sofort und fängt an, mir den Rücken und das Gesicht abzulecken und ich fand das in dem Moment ungemein beruhigend und wohltuend und fürsorglich und ich mußte noch lange dran denken. Es ging dann aber wieder und wir sind vorsichtig in der Dämmerung heim gegangen. Fanden dann natürlich das Haus nicht und mußten fragen und uns führen lassen in dieser Ansammlung von Lehmhäusern. Inzwischen war die Gruppe eingetroffen aus Teheran. Es ist ein großes Schnattern und Erzählen und Tee trinken und Kuchen essen. Setzten uns dazu und sind dabei. Es geht in verschiedenen Sprachen hin und her. Mine findet sich mit Türkisch wieder gut zurecht! Es läuft sogar leise Musik, was einem richtig gut tut und nicht oft vorkommt, weil solche Zerstreuung ja nicht erlaubt ist.

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