Dienstag, 26. Mai 2009

21.5.09 Garmeh

Wir wollen mit der Gruppe aus Teheran und zwei Holländern (Edwin und Rolf) an “einer Tour” teilnehmen. Lange bleibt unklar, ob wir mit in den kleinen Bus der Teheraner passen oder ein Taxi nehmen müssen. Wir wissen auch nicht, wohin es genau geht, wie lange es dauert, ob wir Mittags zurück sind, etc. Bis zuletzt bleibt uns an diesem langen, heißen, staubigen Tag ein Plan verborgen, wir treiben mit in einer chaotischen Truppe, in der die meisten genauso wenig wissen wie wir, damit aber zufriedener sind und insgesamt weniger Fragen haben, vielleicht auch mehr Begeisterung. Wir finden uns endlich -schon weit nach neun (!)- mit den Holländern in einem Wagen, der von einem hageren jungen Iraner gefahren wird, der kein Wort Englisch spricht und versteht und auch sonst kein Wort an uns richtet oder mit uns Kontakt aufnimmt. Wir halten ab und zu und wenn er dann die Tür aufmacht, entnehmen wir diesem Umstand, daß wir hier aussteigen sollen, können oder müssen. Er raucht dann und wir gucken, was so anliegt, stapfen in unterschiedliche Richtungen los, um zu entdecken, was es zu sehen gibt. Wir halten in der Nähe eines riesigen Salzsees. Hier sind Gräben in den salzigen Boden gegraben worden, in denen ein absolut blaues, im wahrsten Sinne des Wortes kristallklares, Wasser steht. Kleine Salzinseln treiben darin und an den Rändern und am Boden haben sich dicke Krusten aus weißem Salz abgelagert. Wir fahren weiter zu dem großen Salzsee, treffen dort die Iraner aus dem Bus wieder, wandern auf dem Salzsee herum, plaudern während uns der Schweiß am Körper entlang rinnt, machen Fotos. Danach
fahren wir durch wunderbare Wüstenlandschaft über Khur bis nach Mesr. Der Fahrer fährt unglaublich schnell und in manchem Moment hat bei der welligen Straße sicher kein einziger Reifen Kontakt zum Asphalt. Wir kommen in voller Mittagshitze in Mesr an. Der Fahrer macht die Tür auf. Oh Gott. Hier? Alle steigen aus. Der Fahrer verschwindet. Kein Mensch zu sehen. Hinter hohen Lehmwänden entlang einer einzigen Dorfstraße dösen alle in der Hitze kann man annehmen. Jemand winkt und wir verschwinden in einem der Häuser. Ein paar junge Leute dösen hier rum. Keine Ahnung, was wir hier machen sollen. Wahrscheinlich auf den Bus warten und Pause machen wegen der Hitze. Gehen wieder raus. Finden eine Art Laden. Ein großer Raum, ein Kühlschrank, wenige unordentliche und staubige Regale mit Einigem, ein Waschbecken. Auf einer Bank nahe der Tür sitzt ein junger Mann mit geschwollenen Füßen, offensichtlich nicht gesund. Neben ihm ein Telefon und ein paar Hefte, in denen er alles sauber einträgt: Telefonate, Einkäufe, außerdem eine offene Plastikdose mit Einnahmen und Wechselgeld. Die Tür des Ladens ist immer auf und von der Bank aus kann man rausgucken auf die Dorfstraße. Immer wieder kommen Leute, die einen wollen neben ihm auf der Bank telefonieren, die anderen eine Kleinigkeit kaufen, andere fragen etwas oder teilen was mit. Er bewegt sich in keinem Fall weg von seinem Platz. Dennoch spielt sich in dieser Mittagshitze in diesem trostlosen Ort alles bei ihm ab, er scheint die zentrale Figur des Ortes zu sein, kennt alle, wird von allen gekannt, hat die Ruhe, ist immer da, döst auch in der Hitze nicht, sieht alles, weiß von allem. Wir sitzen ihm gegenüber auf der zweiten Bank im Raum, saugen an unseren Strohhalmen, essen Kekse. Nix stört ihn, wir jedenfalls nicht. Ein paar unverwüstliche Kinder fahren draußen mit dem Fahrrad rum und spielen. Wahnsinn. Gehen nach einer Weile doch wieder rüber zu unserem “Domizil”. Irgendwann kommt der Bus. Das Spektakel beginnt, Alle knubbeln sich im Schatten und es wird erzählt und gealbert und gelacht, wonach einem selber gar nicht unbedingt ist. Irgendwann kommt Maziar und bringt in großen Töpfen Mittagessen. Danach dösen wir mehrer Stunden unter den aufmerksamen Augen vieler schwarzer Fliegen, die auch irgendwo sitzen wollen, z.B. auf uns, weiter. Nach bestimmt fünf Stunden kommt wieder Bewegung in die Sache. Wir wandern in der sich langsam legenden Hitze nun zusammen mit fünf Kamelen durch die Sandwüste. Abwechselnd dürfen wir reiten, während die anderen mitlaufen. Ich darf auch. Rauf aufs Kamel geht sehr gut. Das Aufstehen und Hinlegen des Kamels ist beachtlich, klappt aber. Ich finde es nicht so gemütlich wie ich es mir auf dem Kamel vorgestellt habe. Kann unmöglich eine Hand loslassen und Foto von der vor mir reitenden Mine machen. Ich zu Mine: “Mußt du dich auch so festhalten?” Sie: “Nö”. Mein Kamel kommt mir auch besonders groß vor. Als es ans Absetzen geht, weiß ich genau, daß das Kamel erst vorne in die Knie geht, dann hinten und sich dann auf den Bauch legt. Die Sache war insgesamt vorhersehbar und überschaubar. Irgendwie klappt die Gewichtsverlagerung aber nicht, jedenfalls hebt es mich nach vorne aus dem Sattel als das Tier vorne runter geht, ich spüre die Beschleunigung meines Rucksacks der schon bald über mir ist und mir zu noch mehr Schwung verhilft. Ich sehe keine Alternative zum Fallen. Der kleine Junge, der mein Kamel dirigiert, sieht aber die Beschehrung, die da auch auf ihn zukommt und stoppt mich irgendwie an der Schulter bis das Kamel sich auch hinten senkt und ich mein Gleichgewicht wiederfinde. Überschwengliches “Merci” meinerseits an den Jungen. Bei allen anderen kommt es nicht zu ähnlichen Komplikationen. Wahnsinn. Stapfen weiter. Kommen an eine große Düne, an der gelagert wird. Nach einigem Auf und Ab im Sand und am nahegelegenen Rinnsal kommt der Abend, wir machen Feuer, trinken Tee und essen ein bißchen mitgebrachten Kuchen. Irgendwann wird mit Hilfe der Musikanlage in einem der inzwischen angekommenen Pkws Musik gespielt und man tut, was man sonst nicht darf, Musik hören, tanzen, die Haare zeigen, ein Sonnentop tragen, ausgelassen sein. Die jungen Leute genießen das in vollen Zügen und man fragt sich, ob diese kleine Freiheit hier mitten in der Wüste vielleicht der eigentliche Sinn der Reise ist, es scheint jedenfalls nicht der Sternenhimmel und die Natur alleine zu sein. Eine andere Gruppe sitzt in der Nähe des Feuers und singt sehr schön. Irgendwo wird auch heimlich Alkohol getrunken (auch verboten). Dann kommt Maziar, verschwindet erst irgendwo in der Weite und kommt dann ans Feuer, beginnt leise zu trommeln. Die jungen Leute mit ihrer Musik verstummen, alle sammeln sich still um ihn, fotografieren ihn unzählige Male und lauschen mehr ihm als seiner Musik. Er spielt meditativ, nicht wirklich virtuos. Nach dem Trommeln noch ein bißchen Spiel auf dem Digeridoo. Man spürt erstaunt, wie sie ihn verehren. Dann bricht alles plötzlich ab und in Windeseile wird alles um halb zehn eingepackt. Wir fahren über eine Stunde heim in wiederum großem Tempo. Von den Reifen, die hinten profillos sind, sehen wir die Hitze aufsteigen. Kein Wunder. Kommen völlig fertig um 23 Uhr zu Hause an, verzichten auf Abendbrot und gehen gleich rüber zu uns und zur Dusche und ins Bett.

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