Dienstag, 5. Mai 2009
1. und 2.5.09 Van-Teheran
Nach dem Frühstück Reiseplanung auf dem Zimmer mit Karte und unseren beiden Iranführern bis wir das Zimmer um 12 Uhr räumen müssen. Gehen in die Stadt und stehen plötzlich vor dem Schmuckladen von Atasoy, in dem wir vor sechs Jahren so schönen alten Schmuck gekauft haben. Damals war das ein ganz einzigartiger Laden mit einem erlesenen Sortiment alten Silberschmucks. Wir hatten uns vorgenommen, sollten wir nochmals im Leben nach Van kommen, dort wieder vorbeizugucken. Den Besitzer haben wir gleich wieder erkannt, den Laden leider kaum. Nur noch wenig alter Schmuck, im wesentlichen neuer Silberschmuck, nicht einmal besonders geschmackvoll. Er verkauft jetzt überwiegend Schmuck im Design der Urataer, kaum mehr Schmuck in Savattechnik. Wir trinken einen Tee mit ihm und Mine unterhält sich ein bißchen über die Entwicklung der Stadt, gehen dann. Sehen einen interessanten Klamottenladen für die muslimische Frau. Ein großes Bild im Eingangsbereich zeigt eine Familie am Strand in Badezeug, die Frau im Ganzkörperanzug mit getrenntem Kapuzenteil für die muslimische Frau, die auch mal baden will. Auftriebskörper sind integriert, gewählt wurde ein Material, das sich auch in nassem Zustand nicht an den Körper anlegt und die Konturen abzeichnet. Wir praktisch. Unser Auge schweift weiter umher und wir sehen eine ganz schöne Mode in hochwertigen Stoffen und geschmackvollen Schnitten und Farben. Wir probieren weite Tunikas mit dazu passenden Kopftüchern für unsere Iranreise. Die Firma heißt Tekbir, eine türkische Designerin hat die Marktlücke entdeckt und kreiert Mode für die verhüllte Frau und tut das mit ganz viel Erfolg und Geschick und Geschmack. Wir gefallen uns in dieser Mode ausgezeichnet und kriegen immer mehr Lust zu kaufen. Eine nette Verkäuferin berät uns geduldig. Wir kaufen insgesamt eine schwarze Hose für Mine und ein dazu passendes Oberteil in einem fließenden Stoff in rot und schwarz und zwei passende Kopftücher. Für mich eine Tunika in lila und türkis auch aus einem fließenden Stoff (Farben passen super zu meiner Brille) und eine schöne Tunika in indischen Stil mit vielen Knöpfen vorne und Stehkragen, dazu zwei farblich gut passende Kopftücher. Für Mine lassen wir alles noch kürzen und sind überglücklich, uns so schön gewandet zu wissen für den Iran. Gehen Linsensuppe und gefüllten Darm (Mumbar dolmasi) essen. Machen dann den Proviantkauf für unsere lange Zugreise. Konnten in zahllosen Versuchen den Bahnhof Van nicht telefonisch erreichen, um uns über die Verspätung des Zuges zu informieren. Gehen nochmals ins Hotel, verstauen unsere Einkäufe im Rucksack und fahren dann gegen sechs zum Bahnhof, um ja nichts zu versäumen. Offizielle Abfahrt des Zuges 18:30 Uhr. Dort erfahren wir, daß der Zug zwar schon in Tatvan ist, aber noch in die Fähre verladen werden muß, um dann über den Van-See zu fahren (3-4 Stunden) und in Van wieder auf die Schiene gesetzt zu werden. Mit einer Verspätung von 6 Stunden ist zu rechnen. Wir sehen uns schon sechs Stunden neben unserem Gepäck warten, denn Schließfächer oder eine offizielle Gepäckaufbewahrung gibt es nicht. Mine redet mit Engelszungen und der Mann am Schalter läßt sich erweichen und stellt unsere Rucksäcke in einem Nebenraum für uns ab. Für ca. 22 Euro reisen wir mit Liegewagen nach Teheran. Wir fahren wieder in das Zentrum. Erwischen einen Dolmus, der durch die fast dörflichen Außenbezirke von Van fährt, die recht trostlos wirken und wild gebaut. Bummeln rum, essen wieder Yayla muzu, gehen Pide essen und Kaffe trinken und fahren dann gegen 21 Uhr wieder zum Bahnhof. Dort warten wir weiter. Inzwischen kommen iranische “Händler”, sie sehen staubig und übernächtigt aus und transportieren ungeheure Mengen an Gepäck. Sie kaufen Waren in der Türkei, schaffen sie über die Grenze und verkaufen sie wieder im Iran. Wir beobachten ihr Treiben. Sie sind lange damit beschäftigt alles umzupacken, raus aus den Originalkartons, hinein in riesige, später prall gefüllte Säcke und Plastiktüten. Die Originalverpackungen werden säuberlich zusammengelegt und gebündelt und auch mitgenommen. So werden beispielsweise Calgon Tabs für die Spülmaschine aus ihren Originalkartons geholt und platzsparend in einen großen Karton gefüllt, den man kaum mehr heben kann. Im Iran wird alles wieder rückverpackt und dann als Originalware verkauft. Die Leute haben soviel Gepäck und Ware, daß sie alles kaum alleine bewegen können. Ist alles verpackt, zerren sie es zur Waage. Nachdem wir das Schauspiel lange verfolgt haben, geht Mine rüber und bietet auch unsere Rucksäcke zum wiegen an, was aber nicht notwendig ist. Alle dürfen pro Person 30kg mitnehmen und müssen für den Rest zahlen. In Täbriz/Iran müssen alle Teile im Gepäckwagen von den Besitzern identifiziert und auf Wunsch auch geöffnet werden. Da wird es das ein oder andere Problem geben mit dem iranischen Zoll. Nachdem die aufwendige Umpackaktion und das Wiegen geschafft sind, steigt die Stimmung bei den Männern und man lacht und scherzt und steht zusammen. Wir warten entnervt. Gehen um 0:30 einmal zusammen auf die Toilette. In dem Moment kommt der Zug (was ja mit keiner Silbe angekündigt wird) und die Halle leert sich in Windeseile. Als wir von der Toilette kommen, steht nur noch unser Gepäck da. Auch wir gehen rüber zu den Wagons und man hat für uns ein Abteil gewählt, in dem schon zwei Frauen sitzen. In einem Viererabteil werden wir die Zeit bis Teheran verbringen. Bekanntmachen mit Zunicken und Lächeln. Wir setzen uns erschöpft und sind dankbar, daß der Zug bald anrollt. Es stellt sich raus, daß die junge Frau (Behnaz) mit ihrer Mutter reist. Sie spricht recht gut Englisch. Sie ist (wie ihr Vater) Baha’i. Die Baha’i sind im Iran nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt und sind eine nicht kleine, aber weitgehend rechtlose Minderheit. Ihre drei älteren Halbgewschister leben alle in den USA, sind aber schon vor der Revolution ausgewandert. Die junge Frau ist viel jünger als ihre Geschwister und hat jetzt versucht in die Türkei zu kommen und dort Fuß zu fassen. Nach zwei Interviews in Ankara bekam sie allerdings kein Bleiberecht und mußte nach zwei Monaten wieder zurück. Jetzt hatte sie ihren Haushalt in Kayseri/Türkei wieder aufgelöst und reiste zurück in den Iran. Ihre Mutter half hier bei der ganzen Aktion. Sie hatten 300kg Gepäck. Die junge Frau darf nicht im Iran studieren und hat große Probleme ihr berufliches (und wohl auch sonstiges) Leben zu organisieren. Mutter und Tochter waren äußerst liebenswürdig und hilfsbereit und wir haben es sehr schön gehabt zusammen. Jeder bekommt geblümte Einmalwäsche für die Liege und eine Decke und ein Kissen. Mine liegt oben, ich unten. Unsere beiden Mitreisenden haben sehr viel Gepäck bei sich und wir räumen eine Weile hin und her bis die vier Liegen einigermaßen frei sind. Gegen drei, wir hatten uns gerade hingelegt, kamen wir an die türkische Grenze. Alle stiegen schlaftrunken aus und es gab Formalitäten in einem benachbarten Gebäude. Danach geht es zurück in den Zug. Wir werden noch zweimal geweckt und müssen die Pässe zeigen, aber alles ist recht unproblematisch. Es ist unglaublich warm im Abteil, der Zug recht voll, die Fenster können nur einen Spalt breit geöffnet werden und das viele Gepäck überall verhindert größeres Bewegen. Am Morgen erwachen wir bleischwer, fühlen uns übernächtigt. Die Landschaft vor dem Fenster tröstet auch nicht, eine öde, baumlose, trockene Landschaft in diesiger Luft. Wir schweigen mit vollem Kopf und raten uns selber zu Abwarten. Unsere Mitreisenden bekommen Frühstück und wir können für uns wenigstens Tee organisieren (wußten nicht, daß man Essen bestellen kann). Muffeln unser mitgebrachtes Brot mit Käse und Tomate und Gurke und schauen betäubt, was die persische Mutti alles auftischt. Wir haben Teil an Schokocreme, Helva, Wallnüssen und noch vielem mehr, wenn wir nur wollten. Aus den Tiefen ihrer verschiedenen Taschen werden immer neue Tigel und Töpfe geholt, mit denen der kleine Tisch zwischen den Sitzen überfordert ist. Ein echtes Schauspiel von Einpacken, Auspacken, Umpacken, Zusammenpacken. Es schwindelte einem . Zum Mittagessen bekommen wir alle Huhn mit Reis, Yogurt und Saft. Es schmeckt. Wir legen uns mit sattem Bauch wieder hin und schlafen alle vier tief und fest. Erwachen wieder wie Blei. Die Mutter holt für alle Saft und Kuchen. Mine ist im Koffeinentzug mit Kofschmerzen, braucht ihre Lieblingsdroge. Wir ziehen los, organisieren Nescafe, eine sehr süße Fertigmischung. Gott sei Dank hat Mine noch den syrischen Mokka dabei, den wir einfach überbrühen (muß ja eigentlich aufgekocht werden). Koffein flutet endlich bei ihr an. Ich bin heilfroh, denn sonst gibt es keine Ruhe.Gegen Abend kommen immer mehr andere Frauen in unser Abteil und es wird noch enger, aber die Stimmung ist gut und die Zeit vergeht schnell. Machen Fotos. Eine Frau spricht gut Türkisch und Mine freut sich und mischt mit. Die Frauen wirken auf uns alle sehr emanzipiert, offen, locker, neugierig und gesprächig. Alle hadern mit den Kleiderregeln und dem Kopftuch. Plötzlich wird nochmals Brot reingereicht, eine Art Abendbrot als Entschädigung wegen der Verspätung (welche? Die hinter uns liegende oder eine neue?). Als Zugabe liegen unter dem Berg Fladenbrot vier stattliche Dosen Thunfisch, eine für jeden. Beim besten Willen können Mine und ich aktuell keine Dose Thunfisch essen. Die andern schon. Die Ankunft in Teheran rückt näher (glauben wir). Langsam machen wir uns Gedanken, wie wir weiter vorgehen. Wir werden um Mitternacht etwa ankommen und werden wohl in der Nacht nicht weiterereisen können nach Kashan. Entschließen uns, doch ein Hotel zu nehmen. Eigentlich wollten wir uns diese Wahnsinnsgroßstadt Teheran am Beginn der Reise ersparen. Wir fragen eine Frau, die in Teheran wohnt, ob sie uns helfen kann, ein Taxi zu nehmen und es in die richtige Richtung zu schicken. Sie empfiehlt ein Hotel. Bietet uns auch an zu ihr nach Hause zu kommen, was wir ablehnen. Wir tauschen etwas Geld bei dem Zugbegleiter, natürlich zu einem miserablen Kurs. Wenigstens haben wir Geld für ein Taxi. Es werden zum Ende der Zugfahrt Telefonnummern und Adressen und Liebenswürdigkeiten und Umarmungen und gute Wünsche unter den Frauen ausgeteilt. Wir fühlen uns ein bißchen schlecht, weil unsere lieben Mitreisenden noch bis zum kommenden Spätnachmittag warten müssen (neben ihren 300kg Gepäck) bis ihr Zug nach Gorgan kommt während wir in einem Hotel die Nacht verbringen können. Eine schreckliche Vorstellung, sie waren bei Ankunft in Teheran schon drei Tage unterwegs von Kayseri. Wir kommen an. Die Frau, die uns helfen wollt, tritt vor dem Ausgang des Bahnhofs in die Mitte der wartenden Taxifahrer. Sie sucht für uns einen jungen Mann aus, den sie selbstbewußt befragt, sich seine Papiere zeigen läßt, die ihn als echten Taxifahrer ausweisen. Der macht alles treu mit. Sie schreibt sich seine Registriernummer auf unter den Versicherungen des jungen Mannes “I am a good boy, really”. Er tut uns fast Leid, aber sie nimmt ihre Aufgabe ernst, uns nicht jemand Beliebigem mitzugeben. Das Fahrziel und der Preis werden verhandelt. Die anderen Taxifahrer helfen mit, dem jungen Mann zu erklären, wo das gewünschte Hotel ist. Wir steigen in sein Taxi, fahren endlos durch das nächtlich ruhige Teheran und finden das Hotel nicht. Wir helfen mit unserem Teheranführer. Nix. Er ruft seinen Freund Hasan an, “who is really good in these things”. Hasan scheint gutmütig und vor allem unermüdlich zu sein, denn er hilft in mehreren langen Anrufen mit, und durch die Stadt zu lotsen. Der junge Mann gefällt uns. Schließlich finden wir das Hotel (vier Sterne), daß aber kein freies Zimmer mehr hat. Uns ist fast schon egal, wo er uns abliefert. Er fährt uns zu einem anderen Hotel. Das Zimmer mögen wir nicht sehr, aber wir beenden die Suche, weil uns heute nichts mehr durch und durch gefallen wird. Wir greifen zu, zahlen unseren netten Mann, duschen, sind aufgewühlt, schlafen aber doch.
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