Samstag, 20. Juni 2009

14.6.09 Sarıkamıs

Hocken wieder in unserem sonnenreichen Wintergarten zum Frühstück. An den Nachbartischen sitzen mehrere türkische Ehepaare mittleren Alters, die Männer Zypernveteranen aus dem Krieg 1974, die hier von irgendeiner kümmernden Organisation zu einem Wochenende eingeladen wurden. Sahen gestern schon die Männer plaudernd vor dem Hotel und die Frauen in der nahegelegenen Wiese kniend, um Mademack zu pflücken, ein wildes bodennahes Kraut, was sehr lecker sein soll in z.B. Börek. Wir haben bei der Rückkehr aus dem Wald mit ihnen ein bißchen geplaudert, wollen ja immer wissen, was die Leute sammeln und suchen: Sie kommen aus Tokat, haben uns gleich dorthin eingeladen und von ihrer Heimat geschwärmt. Sie sind glücklich wegen des Mademacks und das Sammeln liegt ihnen irgendwie im Blut und will da raus und so gesellen sie sich auch am Wochenende bereitwillig um ihre fleißigen Hände. Ein kleiner, untersetzter, lebhafter Mann kommt später an unseren Frühstückstisch und stellt sich als türkischer Offizier vor. Während seine Veteraner ohne ihn vor dem Hotel warten, setzt er sich zu uns und wir plaudern über die EU, die Türkei und ihre Entwicklung. Wir haben ja immer viel Gutes auf der Zunge über die Menschen und das Land und der Offizier ist so glücklich und munter, daß er wiederholt “bravo” ruft und seine von unten winkenden Mannen vergißt, an die wir ihn erinnern müssen, da man in den Bus steigen will. Danach kommen der Rechtsanwalt, dem das Hotel gehört und der Manager des Hotels und sie wollen auch ein bißchen plaudern. Der Rechtsanwalt ist guter Dinge, da er in seinem nahe gelegenen Heimatdorf, um das er sich immer noch viel kümmert (spendend) in der Schule die Zeugnisse überreichen durfte und das muß rührend und schön gewesen sein. Jetzt fährt er wieder zurück nach Ankara und will sich von uns verabschieden. Wir beschließen, sein Dorf in den kommenden Tagen noch anzugucken. Gehen danach wieder in den Wald, an einer anderen Stelle als am Vortag. Es ist wieder wunderbar. Wir sehen irgendwann von weitem Rauch aufsteigen und ahnen gleich einen Hirten, der Tee kocht, der uns jetzt auch schmecken würde. Auf einer Lichtung steht seine Herde Kühe, die er zusammen mit seinem Sohn hütet. Man kommt rasch ins Gespräch und wir sollen Tee trinken. Wenig später bringt der Sohn zwei vom Ruß geschwärzte Alufeldflaschen (noch aus der Militärzeit) mit Tee. Er legt die Flaschen scheinbar direkt in die Glut und der Tee schmeckt auch etwas rauchig. Der Hirte packt auch gleich Brot und Käse aus und sagt, daß dieses Brot und dieser Käse unser Kismet waren, beides war für uns bestimmt, für keinen anderen und wir sollen es uns schmecken lassen. Er erzählt von seinem Reitersport, den er im Winter betreibt: Cirit. Je sechs Reiter in zwei Manschaften spielen, sie werfen sich einen Speer zu und die Reiter der gegnerischen Manschaft versuchen den Speer abzufangen. Man muß ein fantastischer Reiter sein, um da mitzuhalten. Er erzählt von der herrlichen Natur und seiner Verbundenheit, zeigt ein paar Kräuter, erzählt von den Tieren und seiner Familie. Sein Sohn bemüht sich nach Kräften, die vielen Tiere unter Kontrolle zu halten. Das gelingt nicht lange und der Vater packt schnell zusammen und geht den Tieren hinterher. Er verabschiedet sich mit den Worte: “Gerne hätte ich euch besser bewirtet, verzeiht, daß meine Möglichkeiten nicht anders waren.” Wir gehen weiter, aber schon bald ziehen dunkle Wolken auf. Wir treten den Heimweg an. Wir gehen gerade über die riesige Wiese auf unser Hotel zu als es beginnt, zu blitzen und zu donnern. Das ist ein blödes Gefühl, wenn man auf freiem Feld ist und es um einen herum blitzt. Wir eilen mit großen Schritten weiter und es beginnt zu hageln, Die Körner werden immer dicker und sind unangenehm auf Armen und Kopf. Wir stellen uns nicht weit vom Hotel unter einem Vordach unter. Es ist das Haus der Liftarbeiter und wir werden hereingebeten. Wir kriegen natürlich Tee und unterhalten uns aus dem Fenster blickend. Ich frage wegen der Bienenstöcke im Flur, wie es mit dem Honig ist. Oh, da gab es ein Malheur. Vor wenigen Tagen waren drei große Braunbären da und haben sich über den Honig hergemacht. Sie kommen sonst nicht so nah an die Häuser, aber die Versuchung muß groß gewesen sein. Irgendjemand hat sie mit Schüssen in die Luft vertrieben. Wir schlucken etwas. Als sich das Unwetter legt gehen wir rüber zu unserem Heim. Trampen wenig später in die Stadt, gehen ins Internetcafe, essen lecker und laufen dann in der Dämmerung heim.

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