Samstag, 20. Juni 2009

16.6.09 Sarıkamıs

Fahren mit den Mitarbeitern vom Hotel nach Kars. Wir denken, daß wir vor vier Jahren in Kars waren und alles hat sich sehr verändert. Kars ist eine junge lebendige Stadt geworden mit Cafes, Bowlingcentern und Supermärktes. Wie rasant sich die Türkei, selbst im Osten, verändert! Wir recherchieren prinzipiell wegen Autoverleih und jetzt auch hier wegen einer Busfahrt von Kars nach Armenien. Man meint, daß es so etwas hier (in altem armenischem Gebiet) geben müßte. Fragen bei allen Reiseanbietern und Busgesellschaften nach. Fehlanzeige, keine Busse nach Armenien via Georgien. Natürlich kann man sich in das grenznahe türkische Posof und dann an die georgisch-türkische Grenze bringen lassen und dann irgendwie (über Tiflis?) nach Armenien kommen. Auf “irgendwie” haben wir aber keine Lust. Der Gedanke wird vorerst wieder begraben.
Nicht begraben wollten wir den Gedanken an den Kauf eines silbernen Karsgürtels. Leider haben wir das nicht während des Vorbesuchs hier erledigt, als man noch Gürtel in vielen Geschäften zu guten Preisen gesehen hat, wie man rückblickend versteht. Jetzt finden wir nur noch ein Geschäft mit wenigen alten Silbergürteln aus der Region und die sind doch recht teuer. Beerdigen daher für heute auch diesen sonst so aufmunternden Gedanken.
Fahren nach einigen Einkäufen und Kaffeetrinken zurück nach Sarikamis. Die Fahrt zurück mit dem Dolmus in dem Tal entlang der Eisenbahnlinie und entlang einem kleinen Fluß ist wunderschön von Seiten der Landschaft. Natürlich fahren wir im Regen. In den überfüllten Dolmus steigt eine Familie mit zwei kleinen Kindern ein. Sie finden nicht sofort einen Sitzplatz und eine Oma ruft der Mutter zu “Gib mir das Kind”. Die Mutter reicht der Oma den quengelnden Säugling, was die sichtlich freut. Sie küßt und drückt und tätschelt das Kind mit fester und sicherer Hand, läßt es aus dem Fenster gucken und ihr Schuckeln läßt das Kind in ihren Armen hüpfen. Das ihr die Arme nicht lahm werden? Immer wenn das Kind anfängt, loszuweinen, ruft sie “Du kannst mich nicht belügen, was hast Du denn, Dir gehts doch gut”. Das sieht das Kind immer wieder für kurze Zeit ein. Das Ganze ist schön anzugucken. Die Oma hat 13 Kinder geboren, erzählt ungefragt, daß sie immer Mitleid hatte mit den Säuglingen, die sich zu nichts äußern können auch nicht zu ihrem Unbehagen. Ihre Behandlung des Kindes ist liebevoll und ein bißchen deftig und traumwandlerisch sicher. Drei Zähne hat sie noch im Mund, nur ein Auge scheint noch zu sehen, sie lacht. Sie erzählt, daß ihr Sohn, der eine gute leitende Stellung in Sarikamis hatte im Streit einen Mann erschossen hat und nun seine Haftstrafe verbüßt hat und wieder frei ist. Das alles erzählt sie ganz selbstverständlich und natürlich. Das Kind quengelt jetzt doch wieder und sie reicht es hinter sich zu der Mutter mit den knappen Worten “Gib ihm mal die Brust!, was diese kommentarlos macht. Wieviel Lebenskraft manche Menschen ausstrahlen und wieviel Selbstverständlichkeit gegenüber dem Leben.

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