Karges Frühstück. Es folgen eneute Telefonate mit den Busgesellschaften wegen Fahrten nach Jerewan. In den Katalog von Fragen nehmen wir jetzt schon die nach Fahrten in die Türkei auf. Wir fragen im Hotel, was ein Taxi zur türkischen Grenze Bazargan kostet, die 300km entfernt ist. Der genannte Preis ist günstig (45.000 Toman) und wir entschließen uns kurzerhand dafür. Wir starten gegen 11 Uhr Richtung Bazargan. Die Stimmung ist traurig, weil wir es nicht möglich machen konnten für uns und unter uns mit der Armenienreise. Traurig auch, daß alles plötzlich so hindernisreich und mehr beschwerlich als erfreulich klang. Der Mechanismus, der einen plötzlich nur an alte Steine und alte, entlegene Kirchen denken läßt, ist irgendwie armseelig und deprimierend, Wenn man nicht gezogen ist von Neugier und Freude am Entdecken und der Lust, für eine Weile in einem fremden Teich mitzuschwimmen ohne unterzugehen, wenn man all das nicht mehr in sich spürt, wird alles arm, man selber auch. Man erlebt sich ängstlich, verzagt, mißtrauisch und immer ist das elendig, sich so zu sehen. Es ist schöner sich in dem Licht des Möglichen als dem des Unmöglichen zu sehen.
Gehen in Bazargan quasi zu Fuß über die iranisch/türkische Grenze. Können endlich das Kopftuch ablegen. Das ist der erste Griff. Die letzten 100km vor der Grenze wurden landschaftlich immer schöner, der große und kleine Ararat sahen fantastisch aus, trugen noch viel Schnee, waren aber komplett zu sehen und nicht wolkenverhangen. Über der übrigen Landschaft hingen schwere Wolken, was alles noch lebendiger macht. Es ist kaum zu glauben, aber spätestens ab Dogubayazit ist es unübersehbar: der Himmel ist klar und blau zwischen den Wolken, nicht mehr so diesig und verwaschen wie im Iran. Mit dem Herzen umarmen wir unsere schöne, grüne Türkei.
Wir fahren mit dem Dolmusch nach Dogubayazit, essen dort erstmal ganz frisch gebackenen Lamacun gleich neben der Bushaltestelle. Die Bäcker heizen den Ofen mit Wallnusschalen aus dem Iran, da es kaum Holz gibt. Backen tun hier zwei nette Brüder, die hören woher wir kommen und uns raten zur Erholung nach Diyadin auf dem Weg nach Agri zu fahren. Dort sei ein kleiner Kurort mit heißen Quellen und das sei bestimmt das Richtige. Wir ziehen Geld am Automaten und nehmen den nächsten Dolmusch nach Diyadin. Von dort aus geht es mit dem Taxi nach Kaplicalari, dem kleinen Kurort. Jaja. An einem Schotterparkplatz voll mit Autos stehen zwei Badehäuser, eines für Frauen und eines für Männer. In den Badehäusern gibt es jeweils ein ca. 3,5 x3,5m Becken mit heißem Quellwasser, drum herum ein paar Bänke und Kleiderhaken, im Vorraum zwei Toiletten in mangelhaftem Zustand und Dämmerlicht, keine Dusche und kein Waschbecken, dafür aber auf dem Parkplatz eine Wasserstelle mit starkem Strahl. Hinter den Badehäusern für alle gibt es noch zwei Separees mit kleineren Becken, in denen man sich einschließen kann und die man dann für sich hat (20 YTL pro Stunde). Über dem ganzen Platz hängt der Geruch von schwefelhaltigem Wasser. Um den Platz herum stehen kleine Tümpel mit brodelndem heißen Wasser und Rinnsalen, in denen diese Fülle an Wasser versickert oder steht und vor sich hin dampft. Drei große rostige mehrere Meter hohe Kessel und ihre schlecht isolierten und undichten Zu- und Ableitungen verschönen den Anblick weiter, sie dienen offensichtlich der Wasserversorgung in dem nahegelegenen Diyadin (Fernwärme?). Ein paar große Hunde streunen über und um den Platz. Sie gehören niemandem und tun niemandem etwas. Dann gibt es noch einen winzigen Laden mit im wesentlichen Getränken und Knabberzeug und Shampoo und Taschentüchern, eine kleine überdachte Veranda, wo man Tee trinken und Gegrilltes essen kann, eine Wiese für die picknickenden Familien und ein paar schlichte Zimmer direkt am Parkplatz für die Kurgäste, die länger bleiben. In den Zimmern je drei Betten und drei Plastikstühle und ein Tisch auf dem nackten Betonboden. Als wir kommen ist viel los, da Wochenende ist. Viele picknickende und grillende türkische Familien, angereist mit ihren Kleinbussen, sind da. Wir entschließen uns, zu bleiben trotz der spartanischen Umstände. Gehen erstmals Baden in dem Badehäuschen. Jung und Alt sitzt hier am Beckenrand und begießt sich mit dem wunderbar warmen Wasser, wäscht sich oder taucht unter in dem Becken. Omas mit dünnen Zöpfen werden hier gerubbelt und begossen und dann wieder in unzähligen Hüllen versteckt, kleine krebsrote Kinder hängen in ihren Schwimmringen, großbusige Frauen genießen die Wärme im unaufhörlich fließenden Wasser. Werden beim Baden eingeladen zum Tee danach und kommen dem gerne nach. Essen danach Adanakebab im Imbiß. Schon wird es kalt und wir holen die lange Unterhose raus, die wir mit klammen, kalten Händen anziehen. Schauer und Stromausfälle im Wechsel begleiten den Abend. Tee hilft wie immer. Es folgt eine kühle Nacht mit langem Regen auf unser Blechdach.
Sonntag, 14. Juni 2009
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