Auch den nächsten Tag verbringen wir in Frieden überwiegend zu dritt. Wir schwimmen, sitzen am Strand, braten uns frischen Fisch und essen ihn mit Rukolasalat. Abends wird unten im Garten des Hauses Geburtstag gefeiert und wir gehen auch hin und tanzen ein bißchen, was uns gut tut. Uns fällt an diesem Tag auch ein, daß wir unser Vorhaben, Mines Wohnung in Tarsus zu verkaufen nicht länger aufschieben können. Ich weiß nicht, wie wir an diesem Tag darauf kamen. Wir hatten viel gesprochen über die kleinen Gaunereien und Übersohrhauungen, denen man als Türke durch seine eigenen Verwandten und Bekannten oft ausgesetzt ist. Der Hausverwalter, der die Gelder der Eigentümer mißbraucht und sich davon zwei Wohnungen im von ihm verwalteten Hauskomplex kauft. Gratulation! Verwandte, die sich die Wohnung am Meer von den Geschwistern leihen, die wiederum hinterher keine Unterhose und keinen Short mehr im eigenen Schrank finden (alles mitgenommen). Die Trennung zwischen Mein und Dein ist hier in der Türkei viel unschärfer als bei uns. Wenn Dein Verwandter etwas besitzt und Du wenig hast, gibt es verschiedene Wege, an dessen Habe zu kommen: Einfordern (klappt erstaunlich gut!, Ist fast schon der Favorit!), Leihen (und nicht zurückgeben), eine Leistung anbieten und darüber Werte zu sich umleiten (siehe unten), Zugreifen, schlau sein (“man gibt gerne ein Huhn, wenn man dafür eine Gans bekommt”), Angraben/Abgraben. All meine türkischen Freunde haben jedenfalls eine Vielzahl solcher Erlebnisse, von zumeist Verwandten furchtbar hintergangen worden zu sein. Erstaunlich ist dabei, daß man hier in der Türkei fast nie Sorge haben muß, bestohlen zu werden. Jedenfalls paßte die Geschichte mit der Wohnung von Mine gut ins Bild. Vor ca. 35 Jahren hat eine Verwandter sich angeboten, für die Lieben im Ausland Lebenden zwei Wohnhäuser von deren erschufteten Geldern in Tarsus zu bauen. Das Geld für den Bau reichte nie und wurde regelmäßig bei den Lieben nachgefordert und von denen aufgestockt. Bei der krönenden Verlosung der Eigentumswohnungen unter den zahlenden Mitgliedern dieser Kooperative bekamen dann zufällig die am weitesten entfernt lebenden, wie Mine und ihr Mutter, die Wohnungen, die umgebauten Kohlenkellern entsprachen. Hier sollten in der Tat Brennstoffe gelagert werden, Wohnraum war ursprünglich nicht geplant. Während die einen für ihr Geld luftige 140qm Wohnungen bekamen, sprang für Mines Geld leider nur eine 80qm Wohnung ohne Balkon und Terrasse minderer Qualität heraus. Schade. Für die damals (für türkische Verhältnisse) astronomische Summe von 16.000 DM, bei einem Stundenlohn in Deutschland von 3 DM, sprang für die “reichen Deutschländer” leider nicht mehr raus. Und die lieben Verwandten kann man ja nicht anzeigen und verklagen und so wurde der Betrug hingenommen. Diese Wohnung hat danach nie richtig Miete gebracht, wurde meist unter der Hand weitergegeben und die vereinbarte Miete so gut wie nie gezahlt an die weit weg lebenden Besitzer. Mit der Wohnung war von allem Anfang an so viel Frust verbunden, daß auch keine Maßnahmen zur Instandhaltung getätigt wurden. Diese in jeder Hinsicht verunglückte Investition sollte jetzt unter den Hammer, um wenigstens einmal in ihrer verworrenen Geschichte so etwas wie einen Profit oder sagen wir besser Schadensausgleich zu erbringen.
Vor mehr als zwei Jahren hatte Mine die letzten illegalen Bewohner ihrer Wohnung aufgesucht, beschimpft und dann mit ihnen die säumigen Gelder (von mehr als zweijährigem Umsonstwohnen) zusammengerechnet und die ab jetzt zu zahlende Miete (umgerechnet etwas über 40 Euro im Monat) schriftlich festgelegt. Aberwitzigerweise wollten die Leute die Wohnung daraufhin kaufen, was Mine irritierte, weil sie ja nicht mal Miete zahlten. Ihr Bruder und dessen Freund Ali begleiteten sie damals als Zeugen. Durch Ali erfuhr sie - zurück in Deutschland -, daß von den Mietern kein Geld kommt und wohl auch nicht kommen würde. Ali bot sich an, die Mieter aus der Wohnung herauszukomplimentieren. Das Angebot wurde angenommen. Als die Wohnung dann frei war, gab es mehrere Telefonate von Ali mit Mine und die Bitte Alis, selber einziehen zu dürfen in die Wohnung. Nun gut. Kurz darauf, es gab auch hier keine Mietzahlungen, mußte Ali zum Militär. Die Kontaktaufnahme mit Ali wurde unmöglich. Im November 08 gab es aber noch einen Brief an Ali an die Adresse seiner Eltern, mit der Aufforderung die bis dahin säumige Miete zu zahlen. Danach war Ali verschollen wohnte angeblich schon lange nicht mehr in der Wohnung.. Dieser verloren gegangene Faden sollte nun von uns wieder aufgegriffen werden und in die ganze Aktion sollte Grund gebracht werden. Wie? Objekt abstoßen und den Schaden begrenzen!
Irgendwie dachten wir, bei einem Zusammentreffen mit Ali (falls er noch in der Wohnung wohnt) könnte männliche Begleitung unsere Überzeugungskraft erhöhen. Daher fragen wir Ramazan, ob er Lust hat, mitzukommen. Schnell kommt die Idee auf, einen zuverlässigen Bekannten, der Tarsus gut kennt und dort lebt (den Hausverwalter aus Erdemli, Namik) wegen eines guten Maklers dort zu fragen. Gerne will er mitkommen und behilflich sein, hat auch ein Auto, sodaß wir mobiler sind. So planen wir für morgen die Auftaktveranstaltung in Tarsus. Mal sehen was uns erwartet.
Montag, 27. Juli 2009
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