Montag, 27. Juli 2009

18.7.09 Erdeml

Wir fahren gemeinsam mit Namik und Ramazan morgens nach Tarsus. Nach einigem Suchen in der sich rasch verändernden Stadt finden wir das Haus und die Wohnung. Kurzentschlossen kllingeln wir und siehe da, jemand drückt den Türöffner. Wir treten ins Haus und gehen im Dämmerlicht zur Wohnungstür, die von einer netten jungen Frau geöffnet wird. Die fragt freundlich, wer wir sind, wirkt aber ganz offen und rückt schon Hausschuhe richtigrum vor die Türöffnung, damit man gleich reinschlüpfen kann. Für diplomatische Eröffnungen und planende Strategiegespräche ist es in unserer Truppe aber jetzt zu spät. Ramazan poltert los mit: “Geh mal zur Seite, wir sind die Eigentümer”. Wir sitzen schon bald auf den Sofas im Wohnzimmer. Zwei kleine Jungen spielen, alles macht einen geordneten und gepflegten Eindruck. Dennoch sieht man auf den ersten Blick, daß die Wohnung kein Prachtstück ist und Investition dringend bräuchte. Die Frau ist konsterniert und erschrocken und weiß nicht so richtig, was ihr gerade passiert. Ramazan präsentiert laut und verärgert seine Version des Geschehenen, die nicht ganz richtig ist (er war ja bei den Gesprächen mit Ali nie dabei). Mine versucht immer wieder, ihn zu bremsen und die Zügel des Gesprächs in der Hand zu behalten. Namik gibt sich weltmännisch, versucht immer mal zusammenzufassen, plant die Reparaturen, die man in die Wege leiten muß, um den Verkaufswert der Wohnung zu erhöhen. Ich sitze neben Ramazan und versuche von ihm zu erfahren, was passiert und gesprochen wird. Ramazan ist zu sachlichen Berichten heute aber nicht in Stimmung, ist gespannt und verärgert über Emine, die ihn ausbremst und die Sache natürlich nicht richtig angeht. Die Essenz aber schwimmt im Gewirr der Stimmen und Emotionen schnell nach oben: Ali ist ein Verwandter der jungen Familie, hat sich als Eigentümer der Wohnung ausgegeben und von den Leuten, die dort seit über zwei Jahren wohnen, die Miete selber kassiert und einbehalten. Die Familie hat scheinbar treu immer gezahlt und ihr kommt eigentlich keine Schuld zu. Die Frau wird zunehmend blasser, ihr Mund trockener. Sie versucht immer wieder, ihren Mann anzurufen, damit er dazukommt. Der Mann ist gerade nicht erreichbar und sie weiß leider nicht Alis Nummer und Adresse. Der angestrebte der Wohnung wird von Mine schon angesprochen. Die Frau bittet, sie möge die Familie doch hier wohnen lassen. Leider, weiß man nicht mehr, wem man trauen kann und mißtraut lieber allen und das ist ein großer Schaden und ein Verlust. Wir rücken erstmal ab und besichtigen ein Heiligtum in der Nähe: Eshaf -i Keyf (Höhle der versteinerten Heiligen), das uns angesichts der Überraschungen des Tages nicht in seinen Bann zu ziehen vermag. Die Frau erreicht in der Zwischenzeit ihren Mann und wir treffen uns erneut in der Wohnung der Mieter. Auch der Ehemann macht einen guten und seriösen, vor allem ruhigen Eindruck. Sie verstehen Mines Entrüstung und Enttäuschung über ihr Hintergangensein durch Ali. Der Mann hat auch die richtige Telefonnummer von Ali und ruft ihn an, sagt, daß “Frau Emine”, die Besitzerin der Wohnung, da ist und es hier einiges zu klären gebe. Mine übernimmt den Hörer und sagt, er solle sofort hier erscheinen, um alles zu besprechen. Er beteuert, daß er nicht aus der Werkstatt weg kann und wir mögen uns doch zu ihm begeben. Nein, er soll jetzt sofort kommen. Wir unterhalten uns mit den Leuten und warten auf ihn. Sie würden die Wohnung auch kaufen wollen, haben aber zur Zeit kein Geld, da sie gerade ein kleines Restaurant eröffnet haben in der Stadt. Mine will sich auf nichts mehr einlassen, alles einem Makler übergeben. Dazu muß die Wohnung frei sein. Ali wird nochmals angerufen, er biete an, jemanden vorbeizuschicken, um uns zu sich abzuholen. Nein, er soll kommen. Wieder Warten. Nochmals Anruf bei ihm, er ist auf dem Weg. Inzwischen ist die Stimmung im Wohnzimmer ganz gut geworden, man scherzt und lacht und ich male mir aus, wie unerwartet und falsch Alis Eindruck sein könnte, wenn er jetzt zur Tür herein käme. Zwischendurch angespanntes Warten. Ich fürchte um den makellosen Erhalt der schönen Gestecke aus Seidenblumen im Wohnzimmer, wenn es hier mit Ali zum Showdown kommt. Unsere Truppe ist in ihrer Stoßrichtung etwas unstet und schwer berechen- und führbar. Ali kenne ich auch nicht, keine Ahnung wie er so diskutiert. Ali kommt aber nicht. Mine und ich wollen daraufhin unbedingt in seine Werkstatt fahren. Alle anderen meinen, der Vogel sei bestimmt ausgeflogen. Gut möglich. Wir fahren dennoch hin. In der ersten Werkstatt von einem Ali in der angegebenen Straße, sagt ein verwirrter Geselle, Ali sei vor fünf Minuten weggegangen. Mist. Wir gucken aber noch ein bißchen weiter und finden schließlich die richtige Werkstatt und den richtigen Ali. In seinem Büro hocken wir dann alle schwitzend auf krummen Stühlen und Namik auf einem Stapel Automatten. Ali ist ein junger, zierlicher Mann, der wenig furchterregend wirkt. In seinen Versuchen sich zu erklären, zu verteidigen und die Schuld auf andere abzuwälzen beginnt sein Stottern, das er immer hat, schlimmer zu werden. Zwischendurch zückt er Geld und jemand von den Mitarabeitern soll Tee für uns holen gehen. Wir verzichten. Ramazan tritt kraftstrotzend auf und Mine muß sich wieder ihr Feld erobern. Sie will ihr Geld. Ali sagt allen Ernstes zu Mine, sie sei geldgierig. “Du hast mich belogen und betreogen, ich kann nicht in Deine Augen gucken”. Er bekommt ein Ultimatum gesetzt, innerhalb von drei Tagen das Geld zu zahlen. Wir fahren kopfschüttelnd wieder in die Stadt zu dem Restaurant des Mieters und bitten ihn innerhalb der nächsten 10 Tage auszuziehen. Mine klärt alles ruhig und deutlich, aber Ramazan hat im Weggehen immer das letzte Wort.
Danach bin ich völlig entnervt, zum einen wegen des Ganoven und dem kränkenden Umgang mit der redlichen Mine, zum anderen aber auch von dem Chaos in unseren Reihen, wo jeder auch mal was sagen will. Dazu kommt meine Entbehrung, weil ich so gerne auch einen aktiven Beitrag in dem ganzen Durcheinander geleistet hätte und noch dazu nicht mal genau verstehen konnte, wie sich das Leben im Einzelnen vor mir inszenierte. Schade. Mine ist auch traurig, nicht zuletzt über das alte Uneinssein mit Ramazan, auf das sie sich trotz besseren Wissens wieder eingelassen hat. Die Männer sind zufrieden mit sich und dem Erreichten. Wir gehen lecker essen (kleine Lamacun mit Salat und Ayran) und stellen erneut fest, daß es unerträglich heiß ist. Fahren noch in der Altstadt, den Paulusbrunnen angucken und dann heim. Mine zu Hause in Tränen, Ramazan vor Unverständnis laut. Mine und ich gehen noch los für ein Abendbad und zum Beruhigen. Schaffen danach noch einen netten Abend mit gebratenen Auberginen in brüchiger Eintracht und mit dem Beschluß, morgen wegzufahren und in der Wohnungsangelegenheit im weiteren weder Namik noch Ramazan mitmischen zu lassen.

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