Heute brechen wir tatsächlich aus dem Dorf auf und es fällt uns schwer, damit das Heimischsein an einem Ort erstmal wieder aufzugeben. Den ersten Tag wieder mit Wecker erwacht und auch gleich unruhig geschlafen wegen des Aufbruchs. Mines Mutter hatte bereits Brot und unser geliebtes Tahinli (Hefeteig mit viel Sesampaste aus geröstetem und gemahlenem Sesam und dem dazu gehörigen Sesamöl, schmeckt herlich nüssig) geholt und Tee und Eier gekocht. Wir frühstücken schön mit Mines Mutter. Die Verabschiedung an der Haustür mit Hinterhergucken und Winken bis man um die Kurve ist. Vieles kann sie nicht mit Worten zum Ausdruck bringen. Wir klingeln kurz bei Hüri und ihrer Mutter, um uns zu verabschieden, Die Mutter rappelt sich hoch und.winkt am Fenster. Hüri ist wider Erwarten noch da und nicht in den Gärten, bittet uns, ihre Ziegen mit den Jungen noch zu fotografieren und anzugucken. Sie hat eine richtig kleine Herde, die bald mit dem Dorfhirten in die Berge kommt. Wir gehen mit ihr um ein paar Ecken zu dem kleinen Stall und sie läßt die Ziegen raus, die gleich über die halb verfallenen Wände der alten Nachbarhäuser auf das alte Lehmdach klettern und dort ein bißchen fressen. Machen Fotos von Hüri mit kleiner Ziege im Arm und sie freut sich, dann Abschied auch von ihr. Haben wegen der Fotos den einen Bus nach Ulukisla verpaßt und gehen schon ein bißchen die Straße entlang, um nicht sitzend zu warten. Winken auf dem Weg Ali zu und Özkan und treffen später noch Hasan und Fadime zum kleinen Plausch. Fahren mit dem Dorfbus dann nach Ulukisla und von dort nach Nigde. Der Dolmus ( Minibuss ) war schnell voll und es wurden einige Hocker dazu genommen als Sitzplätze im Mittelgang. Die Menschen finden das nicht ungerecht oder ärgerlich, nehmen ihre unbequemen Plätze ein und wir fahren durch wunderbare Lanschaften. Sehen auf dem Weg ein Meer von gelben und lila Blumen und im Hintergrund die schneebedeckten Berge, erst die Kette des Bolkar-Gebirges (gehört zum Taurusgebirge), dann die Aladaglar, dann -schon bei Nigde- die Melendiz und Hasan Dagi. Alle haben noch viel Schnee und sind ja auch alle über 3000m hoch. Dazwischen die blühenden Ebenen und ganz viele Störche, die über die Wiesen schreiten. Steigen in Nigde um in den Bus nach Kayseri, das im Schatten des schneebedeckten Erciyes (fast 4000m hoch) liegt. Suchen dort ein Hotel (Hotel Asberlin) und gehen dann in die Stadt, die uns unerwarteterweise sehr gut gefällt. Viele Gebäude aus seldschukischer Zeit, ein schöner Basar, eine Zitadelle, mehrere Karawansereien und Moscheen. Neben den historischen Bauten sieht man eine große Zahl an modernen Krankenhäusern aller Größen und Polikliniken und eine moderne, blinkende, wohlhabende und gepflegte Stadt mit großen Plätzen und breiten Straßen. Nahbei ist ein großer Militärflughafen und die großen Propellermaschinen fliegen beeindruckend tief über uns hinweg. Wir sehen ein altes Gebäude, das wir für eine alte Synagoge oder Kirche halten. Wir gehen drum herum, ohne ein Schild zu finden, worum es sich handelt. Ein Mann lädt uns ein hineinzukommen und wir sehen eine alte armensiche Kirche zwischen deren bemalten Säulen eine Gruppe Judoka trainieren. Das ganze ist mittlerweile eine Sportstätte für alle möglichen Sportarten. Man kann nur staunen, wie schnell sich das Angesicht der türkischen Städte wandelt. Wie ist das möglich? Ob die Türkei dazu einen namhaften Anteil ihrer Sustanz, z.B. der fruchtbaren Böden verkauft hat (man hört das ja immer mehr, das einzelne Konzerne z.B. Benneton riesige Ländereien z.B. zum Baumwollanbau kaufen, aber auch Länder, die Böden brauchen um ihre Bevölkerung zu ernähren, z.B. Japan). Wir kaufen auf dem Basar schon mal eine Tunika für Mine und mich als Grundausstattung für den Iran, der uns ja verhüllt will.
Gehen dann essen. Unterhalten uns dabei über die noch vor uns liegenden Monate und wie wir sie füllen wollen und können. Immer wieder einmal müssen wir uns die Sinnfrage bezüglich des Reisens stellen. Besonders abends sucht -mich mehr als Mine- manchmal ein diffuses Besorgtsein heim, keine Angst aber ein Unbehagen, eine angedeutetes Gefühl von Heimatlosigkeit. Diese vielen freien vor uns liegenden Tage müssen wir ja erst mit Inhalt und Sinn füllen.
Wenige Augenblicke sind einem ja die liebsten und ein echtes Anliegen, das man suchte oder mit dem man überrascht wird. Gestern abend hat Mine den Floh gefunden, der unsere perönliche Gegenwart ausgenutzt hatte, um ein paar dutzendmal zuzubeißen. Das war natürlich ein wunderbares und erfreuliches Erlebnis und ein echter Gewinn, ihn loszuwerden, aber wir wären prinzipiell auch ohne den Floh ausgekommen. Mine fand ihn schon ein bißchen lebensmüde und geschwächt, er war langsam und konnte uns nicht mehr entwischen.
Die Bettkanten in den Hotels, auf denen man abends hockt und überlegt, was jetzt der nächste Schritt sein kann, sind auch Oasen, die uns oft nicht wirklich erfüllen. Grauenvoll angewiesen sind wir in unserem Wohlbefinden von der Frage, ob die Laken wirklich weiß, d.h. sauber sind und was für einen Eindruck das Bad macht und wie alt der Teppichboden im Zimmer wohl ist, den wir sowieso überflüssig finden. Solche Randnotizen werden wichtig, ohne daß man das in dem Maße will, kann sich aber nicht richtig dagegen wehren. Dies nur ein paar Beispiele, wie es ab und zu um uns steht. Für dieses Mal schliefen wir gut in unseren weißen Laken.
Mittwoch, 29. April 2009
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