Tja. Wir haben dem Versuch, uns in Syrien wohl zu fühlen, mit Hama eine neue Chance gegeben.Wie auch in Aleppo belästigt uns auch hier keiner, beschimpft uns keiner, mißachtet uns keiner, beklaut uns keiner, betrügt uns keiner grob und dennoch fühlen wir uns nicht richtig wohl, ist das Reisen unglaublich anstrengend (mehr in psychischer als in körperlicher Hinsicht). Man spürt immer wieder das eigene Mißtrauen und die Tatsache, daß man noch lange nicht anfangen wird, die Verhältnisse in diesem fremden Land einschätzen und überblicken zu können.
Sind heute mit dem Taxi zum Busbahnhof von Aleppo gefahren. Kaum waren wir raus aus dem Taxi, kamen zahlreiche Männer auf uns zu, die wissen wollten, was unser Ziel sei, um uns zu der richtigen Busgesellschaft zu bugsieren. Das hierhin und dorthin Verschobenwerden ist aber gar nicht so schön für uns und wir zögerten. Mine war im Begriff, alle wegzuschicken. Alle Beschriftungen der Agenturen und ihrer Ziele waren aber auf arabisch geschrieben und man hatte keine Chance, sich selber zu orientieren und zu organisieren. Also mußte man doch mit dem Reiseziel rausgerücken und wurde dann erwartungsgemäß zu einem Schalter bugsiert. Haben den Paß gezeigt und ein Ticket gekauft und sind dann zum Bus gelotst worden. Dort erneutes Vorzeigen und Einbehalten
der Pässe für die “Security”. Mmh. Soso. Saßen im Bus, dessen Motor schon lief und hofften auf die Rückgabe der Pässe bevor er mit uns losfuhr, was auch klappte. Dann anderthalb Stunden bis Hama. Dort wieder Busbahnhof und Taxi. Gottlob hatten wir uns ein Hotel aus dem Führer gesucht. Dort mehrere Zimmer angeguckt:: eins zur Straße, nein bitte noch ein anderes, das ging ebenso zur Straße, bitte noch eins, ging nicht zur Straße, war aber ohne Fenster auf Augenhöhe, dann lieber zur Straße, aber nein doch nicht neben dem Aufzug, sorry, dann lieber doch das erste. Gut. Preis? Nur genickt, nicht gehandelt. Schimpfen von Mine mit mir. Dann Tee und Kaffee zur Begrüßung und langer Monolog des Hotelbesitzers über seinen Wohlstand, seine sieben Kinder, seine Frau (die seine Cousine ist), seine Reisen nach Europa, seine Villa, seine Familiengeschichte, organisiert gerne auch Tour für uns in die Umgebung und läßt Essen für uns kochen, wenn wir das wünschen. Konnte Mine nicht richtig übersetzten, da dem Schwall kein Einhalt zu gebieten war. Danach matt gefühlt. In die Stadt und Nahrungssuche. Schnell gesehen: Stadt unattraktiv und der Fluß Orontes wahrscheinlich tot, biologisch wie optisch. Erstmal Saftbar. Köstlicher, frisch gemixter und gepreßter Saft (Orange, Banane, Apfel). Wir sprechen über unsere Schwierigkeiten mit dem Land. Dann weiter Restaurant gesucht, mühsam. Endlich todesmutig in ein hallenartiges Gebäude gegangen. “Welcome”. Plastikblumen und üppige, in Falten gelegte textile Wandbespannungen, die schmuddelig waren, Tischdecke auch nur mittel, Fernseher läuft, romantische Bilder an den Wänden, kaum andere Gäste. Kellner auf Nachfrage nach der Speisekarte: “Ich bin die Karte”. Mühsame Bestellung: “irgendwas ohne Fleisch mit Gemüse”. Es kam: Humus, Paprikapaste mit Wallnüssen, Auberginensalat, Pommes, fritierte Teigtaschen, Jogurt, Salat, Tee. Schmeckte ganz gut. Mine ein bißchen still beim Essen. Nachfrage, woran sie denkt. “Ich bereite mich gedanklich auf meine Flucht vor aus Syrien. Ich glaube wir müssen das Visum nicht verlängern.” Toilettengang immer erst nach dem Essen, das ist so gut wie abgemacht, aus startegischen Gründen, um sich den Appetit nicht zu relativieren. Syrische Küche bisher recht fantasielos, kennen wir alles und noch viel mehr aus der türkischen Küche. Dann Gang durch die Stadt, die irgendwie trist ist und nicht einladend. Ein Junge, der uns nicht in Ruhe läßt, uns belästigt, weil er arabischen Kaffee verkaufen will. Stellen uns schließlich zu ein paar einheimischen Frauen, die aus dem Hamam kommen mit Trommel und Freßkorb und offensichtlich Spaß hatten mit Kind und Kegel, scherzen mit uns, was gut tat und den Jungen ein bißchen fernhielt Kurzer Blick in die (neue) griechisch orthodoxe Kirche, in der jemand singt. Danach entdeckt: ein riesiger Supermarkt mit allem was das Herz begehrt, Kinderschokolade, Snickers, Mars, Muffinfertigbackmischungen, Nutella, Haribo, Vollkornnudeln.
Als Jahresurlaub wäre diese Reise sicherlich eine Enttäuschung. So mag es ja eine Erfahrung sein. Worin wird sie liegen? Das für uns Europa (in seiner alten Form, unerweitert) eigentlich die wünschenswerteste Lebensform ist, unser Paradies? Das ist, auch traurig, das alles scheinbar so eng ist, aber es ist irgendwie wahr. Das ist die Welt, die wir durchschauen und in der wir uns frei bewegen können. Keine andere. Man müßte zumindest erst nahezu perfekt die andere Sprache lernen und dann lange Jahre des Daseins in dem anderen Land einbringen, um heimisch zu werden. Es ist unangenehm sich mißtrauisch, selektierend, mit Anspannung beobachtend zu erleben, man ist nicht frei, nicht mal in dem, was man ißt (bloß nicht noch krank werden hier). Wundern uns über die Frauen (Nicky in Antakya, die kleine Koreanerin im Restaurant Sissi in Aleppo, die Mexikanerin in der Bar des Hotels Baron und die in England lebende Australierin aus Aleppo), die wir getroffen haben, allein reisend und dies auch genießend und sagen “Hut ab”.
Unsere schöne Reisestruktur, die Aufteilung der Kommunikation und des Besorgens zwischen mir und Mine, so wie es in der Türkei mit der türkisch sprechenden Mine immer war, ist hier erstmal zusammengebrochen und wir müssen eine neue Form des Reisens finden. Haben uns eben gegenseitig, die scheußlichen Unterkünfte (auch in der Türkei) aufgezählt, in denen wir schon gemeinsam waren und uns gegruselt haben. Reiht sich also alles schön aneinander. Die Aufzählung kann ausgiebig verlängert werden. Diese Welt ist an den meisten Orten schon recht runtergekommen und ruiniert.
Und immer wieder - das muß an dieser Stelle nochmals gesagt werden - bin ich mit Mine so wahnsinnig glücklich, daß uns das Leben diese Reise schenkt und sie geht dann in unseren Gedanken noch viel weiter in alles hinein und endet vorerst nicht.
Mittwoch, 1. April 2009
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